Zwischen Neckar und Alb

Richter überrascht mit Urteil

Prozess Gefährliche Körperverletzung und unerlaubter Waffenbesitz: 33-Jähriger muss nicht ins Gefängnis.

Gericht
Symbolbild

Nürtingen. Unter Alkohol- und Drogeneinfluss hatte ein 33-Jähriger in Nürtingen versucht, seine Freundin zu vergewaltigen. Als ihm dies nicht gelang, feuerte er aus dem Fenster zwei Schüsse aus einer Pistole ab. Doch trotz einschlägiger Vorstrafen muss er nicht ins Gefängnis.

„Es hatte sich wirklich niemand vorstellen können, dass es heute auf Bewährung hinausläuft“, so Richter Alexander Brost. An einer Haftstrafe sei er haarscharf vorbeigegangen, sagte der Richter. Der Angeklagte hatte die Tatvorwürfe eingeräumt, außerdem spreche sein stabiles soziales Umfeld für eine Bewährung. Darüber hinaus war das Gericht davon überzeugt, dass der Täter sein Alkoholproblem in den Griff bekommen kann. „Ich hatte sehr starken Druck in der Arbeit - man könnte es schon Mobbing nennen - und dadurch starke Selbstzweifel“, erklärte der Angeklagte seinen Griff zur Flasche. Seit 2018 habe er immer wieder Alkohol getrunken, um seine Probleme vergessen zu können. Seit seiner Inhaftierung habe er aber nicht mehr getrunken.

Am 21. April dieses Jahres kam der Mann nachts in die Wohnung, in der er zusammen mit seiner Freundin und der gemeinsamen Tochter lebte. Das einjährige Kind schlief bereits, die Freundin saß auf dem Sofa. Aus dem Nichts soll der Angeklagte die Frau so lange gewürgt haben, bis sie kaum noch Luft bekam. Er schlug ihr mit der flachen Hand auf das rechte Ohr, sodass ihr Trommelfell riss. Der Angeklagte drohte seiner Freundin, beleidigte sie und versuchte, sie zu vergewaltigen. Er war jedoch mit 1,2 Promille zu betrunken, um seinen Vorsatz zu verwirklichen. Daraufhin holte er eine Pistole und feuerte aus dem Fenster zwei Schüsse ab. Sowohl die Waffe als auch die fast 90 Patronen dazu hätte er nicht besitzen dürfen.

Er räumte ein, in allen Anklagepunkten schuldig zu sein, und sagte: „Um ein Haar hätte ich meine gesamte Familie verloren.“ Seine Freundin habe ihm mittlerweile verziehen. „Wir planen, wieder zusammenzuziehen, und wollen heiraten“, berichtete der Angeklagte.

Richter Alexander Brost wies jedoch darauf hin, dass bereits zehn Vorstrafen vorhanden seien: unter anderem wegen Körperverletzung, Unterschlagung und Fahren ohne Fahrerlaubnis. Die Staatsanwaltschaft forderte daher eine Haftstrafe in Höhe von zwei Jahren.

Richter Brost verurteilte den Nürtinger letztlich zu einer Haftstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Diese wird auf vier Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Außerdem muss der Verurteilte eine Strafe von 4000 Euro zahlen und bis April 2020 eine Alkoholtherapie antreten. Der Richter betonte auch, wie wichtig es für den 33-Jährigen nun sei, sich nichts mehr zuschulden kommen zu lassen: „Das ist Ihre allerletzte Chance.“ Sabrina Kreuzer