Zwischen Neckar und Alb

Ritzen und Mobbing unter Jugendlichen nehmen zu

Beratungsstellen 2 000 Menschen haben sich im Jahr 2016 beim Kreisdiakonieverband Esslingen Hilfe gesucht.

Region. Gleichbleibend hoch ist die Zahl der Menschen, die in den Psychologischen Beratungsstellen des Kreisdiakonieverbandes Esslingen Hilfe suchen, sagt Kreisdiakonie-Geschäftsführer Eberhard Haußmann. Im vergangenen Jahr waren das 1 200 Einzelfälle mit rund 2 000 Betroffenen. Die Probleme, mit denen sie in den Anlaufstellen in Esslingen und auf den Fildern aufschlagen, haben sich freilich verändert. „Mobbing an der Schule ist gerade ein ganz großes Thema. Aber auch Selbstverletzungen wie das Ritzen“, berichten Gunhild Ilisei, Leiterin der Esslinger Einrichtung. Auch ihre Kollegin von den Fildern, Elisabeth Rümenapf, kann das nur bestätigen. Beim Mobbing stehe man dennoch erst bei den Anfängen, verweisen die beiden auf die vielfältigen Kanäle der digitalen Verbreitung.

Beim Ritzen verschaffen sich die Betroffenen Erleichterung ihres seelischen Drucks. Man muss jedoch unterschieden, wer wirklich von diesem folgenschweren Leiden betroffen sei und wer es nur einmal ausprobiere, um mitreden zu können. Ilisei meint dazu: „Jeder Zweite in einer Klasse hat sich schon einmal selbst verletzt.“

Die kirchlichen Beratungsstellen in Esslingen, Bernhausen und Echterdingen arbeiten in engem Austausch miteinander und haben ihre Jahresberichte jetzt erstmals unter einem gemeinsamen Layout herausgegeben.

Schwerpunktthema war die Beratung von Jugendlichen. Die Beratungsstellen sind zwar für Menschen jeden Alters. Sie sind aber in der Familien- und Erziehungsberatung, der Lebensberatung oder im Präventionsbereich oft auch mit den Problemen von Kindern und jungen Menschen konfrontiert. „Wir sind aber auch für alle Fragen des Kinderschutzes zuständig“, stellt Ilisei fest.

„Der Anteil von Menschen mit Adipositas - auch bei Kindern und Jugendlichen - hat sehr stark zugenommen“, hat man in der kreisweiten Anlaufstelle für Essstörungen unter dem Dach der Psychologischen Beratungsstelle Esslingen beobachtet. Ilisei macht dafür unter anderem Fast Food, erhöhten Stress in den Familien, zum Teil auch Armutsprobleme verantwortlich. Aber solche Essstörungen haben immer mehrere Gründe.

Ungebrochen ist auch der Bedarf in der Schwangeren- und Schwangerschaftskonfliktberatung, die ebenfalls in Esslingen angedockt ist. Neu sind Angebote für Menschen mit Fluchterfahrung und ihre ehrenamtlichen Begleiter.

Außerdem es gibt ein neues Online-Projekt unter dem Dach der Filder-Beratungsstelle. Über einen Server des Kreisdiakonieverbands können die Jugendlichen ihren Liebeskummer oder ihre Probleme mit Eltern oder Clique loswerden. „Auch Suizidgedanken sind durchaus häufig“, berichtet Elisabeth Rümenapf. Die Mitarbeiterin antwortet - teils zieht sich der Mail-Wechsel über zwei Jahre hin. Wobei die Anonymität immer gewährleistet ist. Rümenapf erklärt: „Natürlich versuchen wir gerade bei Suizidgefahr, den Kontakt möglichst eng zu halten und die Betroffenen auch in unsere Beratungsstelle zu bekommen.“

Das Team der Beratungsstelle kann mehr als der Hälfte der Ratsuchenden helfen. Meist reichen schon fünf bis sechs Termine. Das Ziel heißt Hilfe zur Selbsthilfe. Aber die Beratungsstellen sind so gut vernetzt, dass sie auch diejenigen weitervermitteln können, die mehr Unterstützung brauchen. Claudia Bitzer