Zwischen Neckar und Alb

Schlaflabor an Nürtinger Klinik schließt

Klinikleiter Norbert Nadler begründet die Entscheidung mit Platzbedarf für Intensivleistungen

Das Schlaflabor an der Nürtinger Klinik soll Anfang Juli aufgelöst werden. In einem Schreiben an niedergelassene Ärzte teilte dies Klinik-Geschäftsführer Thomas Kräh mit der Bitte mit, keine entsprechenden Überweisungen mehr vorzunehmen.

Schlaflabor an Nürtinger Klinik schließt
Schlaflabor an Nürtinger Klinik schließt

Nürtingen. Schnarcher sind vor allem für Bett- oder Zimmernachbarn lästig. Daran denken wohl viele zuerst, wenn sie nach dem Sinn und Zweck eines Schlaflabors gefragt werden. Die Diagnoseeinrichtung leistet jedoch weit mehr als Ursachenforschung für hartnäckiges Schnarchen. Im Schlaflabor ermitteln Ärzte die Hintergründe für häufige Schlaflosigkeit, woran etwa ein Fünftel bis ein Viertel der Bevölkerung leidet. Müdigkeit, Leistungsabfall und selbst Depressionen können die Folge sein. Auch ein Sekundenschlaf tagsüber kann vorkommen, was zum Beispiel für Kraftfahrer gefährliche Folgen haben kann.

Ebenso diagnostizieren Ärzte im Schlaflabor zeitweiligen Atemstillstand, Apnoe genannt. In Nürtingen ist das bei rund 60 Prozent der Patienten der Fall. Apnoiker, meist Männer, sind einem höheren Risiko für zum Teil schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen ebenso wie Diabetes ausgesetzt. Früher half oft nur ein Luftröhrenschnitt, heute leisten technische Hilfen wertvolle Dienste. Der Patient verbringt schlafend ein bis zwei Nächte im Labor, angeschlossen an umfangreiche Messtechnik. Nach Auswertung der Daten wird die Diagnose gestellt und eine Behandlung empfohlen. Ursachen können psychischer Natur sein, zum Beispiel anhaltender Stress, Therapien oder Verhaltensänderungen können Abhilfe schaffen. Aber auch körperlich Ursachen können vorliegen. Apnoikern kann eine Sauerstoffmaske verordnet werden, die sie während des Schlafes tragen. Die Einstellung der richtigen Druckluftdosis wird im Labor vorgenommen, die Maske in Kooperation mit einem Medizintechnikservice angepasst.

Dr. Rudolf Handschuh, Mitglied im Vorstand der Ärzteschaft Nürtingen, bedauert die Schließung. „Für einen Landkreis mit über 500 000 Einwohnern ist es ein Armutszeugnis, wenn er nun keine einzige solche Einrichtung an seinen Kliniken vorweisen kann.“ Dass der Bedarf da ist, zeigen Handschuh die Wartelisten; zum Teil mussten Patienten schon bis zu acht Monate warten, bis sie in der Diagnoseeinrichtung zum Zug kamen. „Schlafstörungen sind eine Volkskrankheit geworden“, so Handschuh.

Norbert Nadler, Leiter des Klinikums Nürtingen-Kirchheim, bestreitet diesen Bedarf nicht. Er merkt aber auch an, dass die Vergütung der Leistung alles andere als ausreichend sei. Auch sei diese ambulante Leistung keine Aufgabe einer Klinik wie der Nürtinger, mit dem Auftrag, eine Grund- und Regelversorgung vorzuhalten. Dennoch habe man das 2004 eingerichtete und 2007 auf den neuesten Stand der Technik mit vier Plätzen ausgebaute Labor gerne betrieben, schon aus Service- und Imagegründen.

So nennt Nadler nicht die mangelhafte Vergütung, sondern steigenden Platzbedarf für Intensivleistungen an der Klinik als Grund für die Schließung. „Wir bekommen immer mehr Patienten, gerade auch schwerere Fälle“, so Nadler, der dies als Folge der zunehmenden Spezialisierung sieht. Die Schwere der Fälle ist allerdings auch ein Kriterium bei der Vergütung durch die Kassen.

Man brauche den Platz zur zentralen Vorbereitung von Operationen, erläutert Nadler. Der Frage, ob man diesen Platzbedarf nicht schon beim Neubau der 2010 eingeweihten Klinik habe absehen können, hält der Klinikleiter weitere Strukturentscheidungen nach dem Neubau entgegen. So wurde zum Beispiel die Chirurgie aus Gründen der Effizienz, sowohl bei den Kosten als auch von fachlicher Seite her, konzentriert und die Kirchheimer Abteilung auf den Nürtinger Säer verlegt, was weiteren Platz einnahm.

Johannes Bauernfeind, Geschäftsführer der AOK Neckar-Fils, findet die Nürtinger Entscheidung „im Sinne eines wohnortnahen Angebots grundsätzlich schade“, weist aber darauf hin, dass es in der Region noch vier Einrichtungen in Stuttgart und eine in Göppingen an Kliniken gebe, außerdem je einen niedergelassenen Arzt in Stuttgart und in Reutlingen mit einem Schlaflabor.

So sieht der AOK-Geschäftsführer die Versorgung trotz Wartezeiten gewährleistet: „Es sind nicht immer schwere Fälle, diese können aber vorgezogen werden.“ Zu den Fragen der Kosten bemerkt er: „Es gibt Niedergelassene, die damit zurechtkommen.“ Das mag auch an den Tarifen für Klinikpersonal liegen.