Zwischen Neckar und Alb

Schutz für Opfer

Gewalt Der Landkreis investiert viel in die Beratung betroffener Frauen. Die Sozialdezernentin sieht die Kommunen in der Pflicht. Von Elisabeth Maier

Symbolbild: privat
Symbolbild: privat

Über die gute Kooperation zwischen Landkreis und Kommunen bei den Themen Gewaltprävention sowie Gewalt gegen Frauen und Kinder ist Katharina Kiewel, Sozialdezernentin im Landkreis Esslingen, froh. In der kreisweiten Arbeitsgemeinschaft „Beratung für Frauen in Gewalt- und Krisensituationen“ werden Aktivitäten geplant und Entwicklungen diskutiert. Dort sind neben den drei Vereinen „Frauen helfen Frauen“ im Landkreis Verantwortliche der Kommunen und die Beauftragten für Chancen­gleichheit des Landkreises vertreten.

Eng arbeiten Landkreis und Kommunen auch beim Thema häusliche Gewalt zusammen. Wenn die Polizei bei einer Familie eingreift, verweisen die Beamten die Frauen an entsprechende Beratungsstellen. „Dieses proaktive Verfahren hat sich bewährt“, sagt Kiewel. In diesen Fällen steht den Frauen eine Beratung sogar gesetzlich zu. In den Polizeirevieren gibt es Runde Tische, an denen sich Vertreter der Polizei, der Ordnungsämter, der Sozialen Dienste, der Frauenhilfsvereine, der Fachberatung Gewaltprävention und anderer Stellen austauschen.

In Esslingen, Kirchheim und Filderstadt gibt es jeweils einen Verein „Frauen helfen Frauen“. An der Finanzierung dieser Beratungsangebote beteiligt sich der Landkreis ebenso wie die Kommunen. Frauen, bei denen die Polizei wegen häuslicher Gewalt eingreifen musste, werden von Fachkräften umfassend beraten. Für dieses Angebot zahlte der Landkreis 450 000 Euro im Jahr 2016. Insgesamt lagen die sogenannten Nettotransferleistungen des Sozialamts, die Menschen im Landkreis zugute kommen, bei 158 Millionen Euro.

Kiewel legt großen Wert da­rauf, „dass Frauen auch Beratung brauchen, wenn die Polizei in Gewalt- oder Krisensituationen noch nicht eingegriffen hat“. Dieses Angebot finanziert der Landkreis gemeinsam mit den Kommunen. Seit 2016 zahlt der Landkreis den drei Vereinen freiwillig einen Zuschuss von 31 000 Euro. Den Vorstoß der Fraktionen von Freien Wählern und CDU im Gemeinderat Neuhausen, dass der Landkreis dieses Angebot komplett über die Umlagen finanzieren solle, kann Kiewel nicht nachvollziehen. „Das ist ein wichtiger Beitrag zur Daseinsvorsorge für Bürgerinnen und ihre Kinder.“ Mit der finanziellen Beteiligung beziehen der Landkreis Esslingen sowie die Kommunen aus ihrer Sicht gemeinsam Position gegen Gewalt. „Frauen in ihrer Not zu helfen, sehen wir in einer gemeinsamen Verantwortung.“

Dass der Bedarf für eine solche Beratung im Kreis Esslingen groß ist, steht für Regina Lutz, die Amtsleiterin des Kreissozialamtes, außer Frage. „Die Angebote der Beratungsstellen und der Frauenhäuser werden von Betroffenen aller Schichten der Bevölkerung in Anspruch genommen.“ Die Opfer seien auch unterschiedlicher kultureller Herkunft. 2016 haben die Vereine „Frauen helfen Frauen“ im Kreis insgesamt 102 Opfer beraten. Nach Lutz‘ Worten „suchen auch die Täter professionelle Hilfe“. 109 Männer nahmen das Angebot der Fachberatungsstelle Gewaltprävention in Esslingen in Anspruch. 257 Frauen in Gewalt- und Krisensituationen ohne polizeiliche Intervention haben das Angebot einer persönlichen Beratung genutzt. „Daneben fanden viele telefonische Beratungen statt“, berichtet Lutz.

Stark ausgelastet sind auch die Frauenhäuser im Landkreis Esslingen. In den drei Einrichtungen stehen 43 Plätze bereit. 90 Prozent davon waren 2016 im Schnitt belegt. „Die durchschnittliche Verweildauer hat sich erhöht“, sagt Lutz. 2016 habe man in den Häusern im Landkreis 67 Frauen mit 74 Kindern versorgt. Einig sind sich Lutz und Kiewel, dass ehrenamtliches Engagement bei der Arbeit mit Frauen in Gewaltsituationen eine wichtige Rolle spielt. Diese bürgerschaftlich Engagierten wolle man unterstützen.

Für 2017 zeichnet sich ein Rückgang ab

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat 2016 mehr Gewalttaten in Beziehungen registriert als in den Vorjahren. In der Statistik sind bundesweit etwa 80 000 Körperverletzungen, 357 Tötungen und 7 600 Stalkingfälle registriert.

Die Polizei im Kreis verzeichnete 2012 502 Fälle, 2015 waren es 481 und 2016 dann 565. Trotz des Anstiegs sieht Andrea Kopp, Pressesprecherin der Polizeidirektion Reutlingen, keinen eindeutigen Trend nach oben: „Die Zahlen schwanken von Jahr zu Jahr.“ Für 2017 zeichne sich momentan wieder ein Rückgang ab - die genauen Zahlen sind jedoch noch nicht freigegeben.

Körperverletzungsdelikte nehmen den Löwenanteil der Fälle in Anspruch, aber auch weitere Tatbestände wie Bedrohung, Nötigung, Freiheitsberaubung, Sachbeschädigung, Nachstellung und Sexualdelikte spielen eine große Rolle. Tötungsdelikte fallen ebenso darunter. eli