Zwischen Neckar und Alb

Scientology macht einen Zwischenstopp

Ostfildern Eigentlich wollte die Organisation mitten in Stuttgarter eine Niederlassung eröffnen. Finanzielle Probleme durchkreuzten den Plan. Von Jürgen Bock

In Scharnhausen hat die Organisation ein Zwischenquartier bezogen.Foto: Horst Rudel
In Scharnhausen hat die Organisation ein Zwischenquartier bezogen.Foto: Horst Rudel

Die Einladung an die Passanten klingt herzlich. „Kommen Sie hoch“, steht auf dem Schild vor einem Bürogebäude in Scharnhausen. Dort hat die Scientology-Gemeinde Baden-Württemberg in der Siemensstraße ihre neue Heimat gefunden. Vor dem Haus steht ein Kleinbus, in dem laut Aufschrift ein „ehrenamtlicher Geistlicher“ unterwegs ist. Im vierten Stock residiert die umstrittene Organisation, die sich selbst als Kirche sieht, von Aussteigern und Behörden aber als Sekte mit verfassungsfeindlichen Zielen eingestuft wird.

Der Umzug war nicht ganz freiwillig. Denn an der bisherigen Adresse in der Reichenbachstraße in Bad Cannstatt sind inzwischen die Abrissbagger am Werk. Das Gebäude im Hinterhof, das bisher das Zentrum der Stuttgarter und landesweiten Aktivitäten gewesen ist, steht nicht mehr. „Dort gab es schon seit Langem große Überbauungspläne, sodass der Mietvertrag befristet gewesen ist“, sagt ein Scientology-Sprecher. Ostfildern sei lediglich eine Interimslösung: „Es ist weiterhin unser Ziel, in ein eigenes Gebäude zu ziehen.“ Welches das ist, verrät die Organisation nach wie vor nicht. „Sobald wir konkrete Infos haben, was Ort und Zeitpunkt für ein zukünftiges eigenes Gebäude anbelangt, werden wir sofort informieren“, heißt es nur.

Eine neues Büro direkt im Zentrum

Beim Landesamt für Verfassungsschutz, das Scientology seit 1997 beobachtet, ist man sich allerdings schon seit Längerem sicher, wo der neue Ort sein wird. Es handelt sich dabei um das große Bürogebäude an der Ecke Heilbronner und Tunzhofer Straße in Stuttgart. An prominenter Stelle direkt gegenüber des Einkaufszentrums Milaneo rechnen die Behörden mit der Eröffnung einer sogenannten Idealen Org, einer repräsentativen großen Niederlassung, die Scientology im hellsten Licht erstrahlen lassen soll.

Das Gebäude wird bereits seit rund einem Jahr renoviert. Es ist nach wie vor eingerüstet. Die Stadt teilt lediglich mit, dass die Arbeiten genehmigt seien, nicht aber, wer Eigentümer ist. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes hat Scientology das Haus mit 6 000 Quadratmeter Fläche bereits vor acht Jahren über einen Rechtsanwalt in Israel erworben. Als der wegen Kontakten zur organisierten Kriminalität hinter Gitter wanderte, ging die Immobilie an eine zweite israelische Kanzlei.

Dass es seither nur stockend voran geht, liegt aus Sicht der Verfassungsschützer an finanziellen Problemen. „Deshalb sah sich die Stuttgarter Organisation jetzt gezwungen, ein Zwischenquartier zu beziehen“, heißt es dort. Die Übergangszeit wolle Scientology offenbar nutzen, um die zentrale Datei zu überarbeiten, in der die Daten aller Personen gespeichert seien, die jemals Kontakt zu einer Niederlassung gehabt hätten. Für diese Arbeit habe Scientology jüngst per E-Mail unter den Mitgliedern massiv um Unterstützung geworben.

In diesem eingerüsteten Gebäude in Stuttgart will Scientology angeblich sein Hauptquartier einrichten.Foto: Lichtburg/Max Kovale
In diesem eingerüsteten Gebäude in Stuttgart will Scientology angeblich sein Hauptquartier einrichten.Foto: Lichtburg/Max Kovalenko