Zwischen Neckar und Alb

Seine Stärke: Das Bauen von Brücken

Verabschiedung Im Oktober 2012 kam Karlheinz Graf als evangelischer Pfarrer nach Zizishausen. Gestern ging er nach siebeneinhalb Jahren in den Ruhestand. Von Peter Dietrich

Pfarrer Karlheinz Graf sah seine Aufgabe als vertikale und horizontale Beziehungsarbeit, zwischenmenschlich und in der Beziehung
Pfarrer Karlheinz Graf sah seine Aufgabe als vertikale und horizontale Beziehungsarbeit, zwischenmenschlich und in der Beziehung zu Gott. Foto: Peter Dietrich

Die Gemeinde ist geteilt durch den Neckar“, sagt Pfarrer Karlheinz Graf, „die Brücke verbindet.“ Das passt gut zu ihm, denn er selbst hat sich immer als Brückenbauer verstanden - zu den Vereinen, zum Kulturausschuss, zur katholischen Kirchengemeinde. „Gemeindearbeit war für mich immer Beziehungsarbeit, sowohl horizontal-zwischenmenschlich als auch vertikal zum lebendigen Gott.“

Karlheinz Graf ist keiner, der denkt, erst mit ihm habe die Welt begonnen. „Wir knüpfen immer daran an, was Vorgänger gemacht haben, dafür bin ich immer dankbar gewesen. Ich führe nur weiter.“ Die Jugendarbeit der Kirchengemeinde erforderte allerdings einen Wiederaufbau, er gelang: „Das ist ein schönes Pflänzchen geworden.“ Grafs Voraussetzungen waren gut, er war elf Jahre lang Bezirksjugendpfarrer gewesen. Wichtig war ihm die Brücke zu denen, die nur noch wenig Kontakt zur Kirche haben. Er wusste sich dabei nicht alleine am Werk: „Mein Grundanliegen war immer, auf den großen Brückenbauer Jesus Christus zu vertrauen.“ Wo sieht Graf seine Gaben, seine Begabung? „Ich denke, dass ich von der Grundanlage Seelsorger und Prediger bin.“

Doch er hatte sich auch um handfeste Hardware zu kümmern. Die 57 Jahre alte Christuskirche brauchte eine neues Dach, die Orgel musste gründlich saniert werden, zudem bekam die Christuskirche einen barrierefreien Zugang und ein barrierefreies WC. Das war ein Projekt für 270 000 Euro. „Keiner soll ausgeschlossen werden, weder mit Kinderwagen noch Rollator, das ist uns das wert.“ Bei der Arbeit des Fundraising-Teams, sagt Graf, ging es um mehr als Geld. „Es geht darum, dass sich Menschen bei den Veranstaltungen begegnen, etwa bei der Kulturnacht alle zwei Jahre.“

In Oberlenningen, wo Pfarrer Graf zuvor 16 Jahre lang war, hatte er das Männervesper begonnen. In Zizishausen war das nicht nötig, das Männervesper gab es schon, dazu kommen mehr als 100 Männer in den Gasthof Linde. Das ökumenische Frauenfrühstück ist genauso stark besucht. Nach dem einstündigen Konfirmandenelternabend ging Graf noch mit den Eltern in die Wirtschaft, um in Ruhe mit ihnen zu plaudern. Gerne hätten der Wirt Jörg Schwarz und der Pfarrer einmal die Rollen getauscht - warum eigentlich nicht? So kam es schon zweimal zum Benefizessen „Hirt hilft Wirt“. Der Pfarrer bediente, der komplette Erlös kam Projekten in Deutschland und Argentinien zugute. Günther Oettinger war auch dabei, verkörpert durch den Pfarrkollegen und Kabarettisten Peter Brändle.

„Ohne die Unterstützung meiner Frau hätte ich es in allen Gemeinden nicht machen können“, sagt Graf. Bis letztes Jahr war Ulrike Graf Koordinatorin im ambulanten Hospiz in Kirchheim. Im Ruhestand wird das Paar nach Kirchheim ziehen. Wie das Pfarrhaus in der Panoramastraße danach bewohnt wird, steht noch nicht fest, denn die Pfarrstelle wird auf 50 Prozent gekürzt, es gibt keine Residenzpflicht. Die Geschäftsführung wird von Pfarrerin Sylvia Unzeitig von der Evangelischen Kirchengemeinde Ober­ensingen-Hardt übernommen. „Wir kehren zurück zur Muttergemeinde“, sagt Graf zu den historischen Wurzeln der Zusammenarbeit. „Es war eine sehr reizvolle Stelle“, ergänzt er und dankt dem Kirchengemeinderat, dass er sich auf den Weg der Veränderung eingelassen hat.

Veränderungen hat er selbst viele erlebt. Aufgewachsen ist er in Kärnten und hat zuerst Flaschner gelernt. Er blieb in Württemberg hängen, arbeitete in Ulm und Neuffen und zog dann im Auftrag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) mit seiner Frau und zwei Kindern für sechs Jahre nach Argentinien. Wie Graf sein Berufsleben zusammenfasst, das können nicht viele sagen: „Es gibt nichts, das ich nicht gerne gemacht habe. Ich habe immer Lust auf neue Projekte gehabt. Alle Stellen waren für uns maßgeschneidert, in der Unterschiedlichkeit waren sie für uns eine Bereicherung.“ Wenn er etwas bedauert, dann, dass die Familie zu kurz kam. „Wenn du zur Einschulung des zweiten Enkels nicht hinkannst, weil du selbst einen Einschulungsgottesdienst hältst, das tut weh.“

Nun freut sich Graf darauf, für Familie, Enkel und Reisen mehr Zeit zu haben. 2020 soll ein berufliches Sabbatjahr werden, ganz ohne irgendwelche Vertretungen. „2021 sieht man weiter. Ein Pfarrer wird ja von der Landeskirche entpflichtet, aber nicht entlassen.“