Zwischen Neckar und Alb

Sittenwächter wandern nicht

Kulturschock Die aus Kirchheim stammende Journalistin und Autorin Iris Lemanczyk hat den Iran erforscht und ein Buch über das fremde Land am Persischen Golf geschrieben. Von Daniela Haußmann

Iris Lemanczyk hat im Iran interessante Eindrücke gesammelt. Foto: Iris Lemanczyk

Iris Lemanczyk erzählt Geschichten über Orte, Menschen und Begegnungen. Das Leben in fremden, exotisch empfundenen Ländern fasziniert die in Kirchheim geborene Autorin seit jeher. Trotzdem reagierten Freunde und Bekannte überrascht, als die 54-Jährige die Koffer packte, um in den Iran zu fliegen. „Wie kannst du da bloß hinreisen, zu diesen Mullahs?“, „Ist das nicht zu gefährlich?“, „Herrscht dort nicht eine grausame Diktatur?“ - Fragen wie diese prasselten auf die Journalistin ein. Doch die freute sich umso mehr auf die Reise in ein Land, dessen Namen für viele zu sehr nach Problemen, kalten, politischen Verwerfungen klingt.

Was Iris Lemanczyk auf ihrem Weg vom Nordwesten bis in den Süden, der rund 80 Millionen Einwohner zählenden Republik, erlebte, war allerdings alles andere als kalt. Viele Iraner leben ihr zufolge in ihrem eigenen persischen Mikrokosmos - dem schiitischen Dogmatismus der Mullahs zum Trotz. Deutlich wird das für sie vor allem an der „unglaublichen Herzlichkeit, der überwältigenden Freundlichkeit und Gastfreundschaft“, die jedes Vorurteil so gut wie umgehend aus der Welt schafft. Das beschreibt die 54-Jährige auch in ihrem erst kürzlich erschienenen Buch „Fremder Iran: Sittenwächter wandern nicht“. Insgesamt acht Wochen hat die in Stuttgart lebende Autorin das Land am Persischen Golf, im Rahmen mehrere Aufenthalte, bereist und dabei allerhand erlebt.

Ziemlich überrascht hat sie, dass „viele junge Iraner Trump-Fans“ sind. Die Wirtschaft in dem 80 Millionen Einwohner zählenden Staat befindet sich auf Talfahrt. Laut Internationalem Währungsfonds liegt die Arbeitslosigkeit bei etwa zwölf Prozent. Jeder dritte unter 25 Jahren ist arbeitslos, sagt das iranische Zentrum für Statistik, während jedes Jahr rund 1,2 Millionen neue Arbeitskräfte auf den Markt drängen, für die es viel zu wenig Stellen gibt. „Etliche haben mehrere Jobs, um über die Runden zu kommen“, wie Iris Lemanczyk erfahren hat. „Gerade junge Menschen sind desillusioniert.“ Einige hoffen ihr zufolge aber, dass die amerikanischen Strafmaßnahmen, das Mullah-Regime zu Fall bringen und es endlich zu Veränderungen kommt.

Die Autorin mit Schülern im Iran.

Die wünscht sich sicherlich auch ein Gutteil der weiblichen Bevölkerung. Es gibt eine wahrnehmbare zivilgesellschaftliche Bewegung, die zeigt, dass Islam und Feminismus kein Widerspruch ist. „Im Iran fahren Frauen Auto, tragen unter dem Schleier Jeans und die Mehrheit der Studierenden ist weiblich“, klärt Lemanczyk auf. „Doch obwohl so viele Frauen die Uni besuchen, werden die allermeisten nie in einem Beruf arbeiten, der ihrer Qualifikation entspricht.“ Die meisten Iranerinnen beneideten die Deutsche um die Freiheit, die sie in ihrer Heimat genießt: „Das hat mich berührt und traurig gemacht“.

So manchem westlichem Klischee zum Trotz, gehen die Frauen in der Islamischen Republik mit der Mode. „Sie legen viel Wert auf Make-up und ein perfektes Styling“, so die 54-Jährige, die mit Erstaunen feststellte, dass es in jeder Stadt eine Straße gibt, die abends zur Flirtmeile wird. „Im Schneckentempo fährt man die Rendezvous-Strecke entlang, schaut sich die Autos an, wirft den Fahrern einen sehr diskreten Blick zu“, wie Iris Lemanczyk beobachtet hat. „Alles andere wäre schlecht für den Höflichkeitskodex. Denn wer weiß, wo sich die Sittenwächter überall tummeln.“ Vielleicht sogar in Autos auf der Flirtmeile. Nach ein paar Metern Fahrt, nimmt man Blickkontakt auf. „Wenn einem gefällt, was man sieht, kurbelt man das Fenster runter und fängt an zu turteln. Wie es weitergeht entscheidet die Frau“, so die Journalistin, die es mehr als verblüfft hat, dass es im Iran trotz striktem Alkoholverbot rund 200 000 Alkoholiker gibt. Dass jedes Jahr zwischen 60 bis 80 Millionen Liter Hochprozentiges den Schwarzmarkt überflutet, war auch für sie eine neue Information.

Eine Schulklasse in Isfahan. Foto: Iris Lemanczyk

Iris Lemanczyk will bald wieder die Koffer packen und an den Persischen Golf reisen. „Der Iran ist ein riesiges, vielfältiges Land, mit einer grandiosen Natur, Architektur und unglaublich herzlichen Menschen“, bringt Lemanczyk ihre Faszination für Land und Leute auf den Punkt. Wer mehr über die Autorin erfahren will, findet unter www.IrisLemanczyk.de jede Menge Informationen.

Fotos: Die Bilder zeigen eine Schulklasse auf dem Platz „Meyddan-e Imam“ in Isfahan (unten), eine Schaufensterdeko (oben) und Iris Lemanczyk als „German Supervisor“ bei der Arbeit in einer Schule.