Zwischen Neckar und Alb

SPD will Verantwortung übernehmen

Politik Die Regierungsbildung und die Rolle Europas bestimmen den Neujahrsempfang der SPD. In den Ergebnissen der Sondierungsgespräche können einige durchaus Erfolge der Sozialdemokraten erkennen. Von Katja Eisenhardt

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Ann-Christin Kreyer, Joachim Rücker, Hatja Thies, Michael Beck und Andrea Bagdan (von links) unterhalten sich angeregt. Themen liefert der Neujahrsempfang der SPD genug. Foto: Katja Eisenhardt

Druckfrisch war das 28 Seiten starke Ergebnis der Sondierungsgespräche zwischen CDU/CSU und SPD in Berlin am Freitag. Kein Wunder, dass es beim Neujahrsempfang des SPD-Kreisverbands in der Hochdorfer Breitwiesenhalle in den Fokus rückte. Dazu ging es um die Rolle Deutschlands und Europas vor dem Hintergrund einer Welt, die „aus den Fugen geraten ist“.

„Politisch turbulent“ sei das vergangene Jahr gewesen und das Ergebnis der Bundestagswahl bitter für die SPD, sagte der Kreisvorsitzende Michael Beck. Wer ungeachtet des Geleisteten „so deutlich abgestraft“ werde, habe eigentlich keinen Regierungsauftrag erhalten. Eine erneute Große Koalition abzulehnen sei eine logische Konsequenz. Richtig sei es allerdings auch, nach dem Scheitern der Jamaika-Koalition doch Sondierungsgespräche mit CDU und CSU zu führen: „Es ist keine Option, die Bevölkerung so lange wählen zu lassen, bis einem das Ergebnis passt.“ Regierungsverantwortung um jeden Preis zu übernehmen, könne aber nicht das Ziel sein, betonte Beck. Vielmehr müsse die SPD es davon abhängig machen, „ob es gelingt, bei den zentralen Zukunftsthemen für die Menschen in unserem Land Verbesserungen zu erreichen“.

Im Ergebnis der Sondierungsgespräche entdeckte Beck einige der für die SPD wichtigen Punkte, etwa die Kindergelderhöhung um 25 Euro, die Abschaffung der Kita-Gebühren, die Investitionsoffensive für Schulen und zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege, die Unantastbarkeit des Grundrechts Asyl, die Einführung eines modernen Einwanderungsgesetzes und das Vorhaben, Flüchtlingen den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern sowie die europaweite Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und die Stärkung des Europäischen Parlaments. Becks Fazit: „Die Grundtendenz stimmt.“ Sollte sich der Sonderparteitag der SPD am 21. Januar für Koalitionsverhandlungen aussprechen - was er befürworte - müsse inhaltlich aber „schon noch weiterverhandelt werden“.

Auf Kreisebene habe sich die SPD in diesem Jahr schwerpunktmäßig das Thema Gesundheitspolitik gesetzt. „Hierzu wird eine kleine Veranstaltungsreihe organisiert“, kündigte Beck an. „Den zweiten Schwerpunkt bildet für uns die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung der Kommunal- und der Europawahlen 2019.“

„Die Welt aus den Fugen? Was Deutschland und Europa jetzt tun müssen“ lautete das Thema des Vortrags Joachim Rückers. Er war Oberbürgermeister von Sindelfingen, deutscher Botschafter in Schweden, Sonderbeauftragten der Vereinten Nationen für den Wiederaufbau im Kosovo, Chefinspekteur des Auswärtigen Amts, Präsident des UN-Menschenrechtsrats und zuletzt Sonderbeauftragter der Bundesregierung für die Stabilitätspartnerschaft im Mittlern Osten. Positiv sei es, dass das Sondierungsergebnis den notwendigen „neuen Aufbruch für Europa“ beinhalte und auf die Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron eingehe. Denn: „Die Welt ist aus den Fugen“ - dieses geflügelte Wort Frank-Walter Steinmeiers beschreibe die Realität, nicht zuletzt mit Blick auf die neue Rolle der USA, die sich immer mehr zurückziehe.

Klar sei vor dem Hintergrund internationaler politischer und wirtschaftlicher Konflikte, dass die werte- und regelbasierte internationale Ordnung gestärkt werden müsse. Renationalisierung und Abschottung führten nicht weiter. Drei außenpolitische Prioritäten formulierte Rücker für Deutschland: Die Stärkung der Vereinten Nationen sowie der Europäischen Union und „wir müssen die transatlantische Partnerschaft wetterfest machen“. Positiv sei das Vorhaben, für einen Sitz im Sicherheitsrat in 2019/20 zu kandidieren, denn schon jetzt komme Deutschland eine wichtige Rolle bei der Lösung politischer Krisen und Konflikte zu. Das „Tagesthema“ sei aber ganz klar die Stärkung der Europäischen Union. Zwei Punkte der Vorschläge Macrons griff Rücker heraus: Die Notwendigkeit neuer Ansätze beim Migrationsmanagement und der Bekämpfung von Fluchtursachen sowie die Ideen zur Wirtschafts- und Währungsunion, einschließlich Eurozonenbudget und Eurozonenfinanzminister.

„Macrons Ideen sind gleichbedeutend mit der Schaffung der Vereinten Nationen von Europa“, stellte Rücker fest. Der Begriff signalisiere, dass Europa seinen Platz in der Welt behaupten wolle und könne, bedeute aber nicht, dass die EU ein zentralistischer Bundesstaat werde. Es sei an der neuen Bundesregierung, zu Macrons Plädoyer gegen den Rückfall in den Nationalismus und für Europa „hörbar und fühlbar“ Ja zu sagen: „Wenn wir das hinbekommen, würde sich aus meiner Sicht eine neue große Koalition lohnen. Wenn nicht, dann nicht.“