Zwischen Neckar und Alb

Sterbenden Nähe geben

Mehr als 60 Menschen engagieren sich in der ambulanten Hospizarbeit

Dijana Donners Mann Peter ist vor einem halben Jahr an Lungenkrebs gestorben. Seine Pflege und Betreuung brachte die selbst gesundheitlich angeschlagene Ehefrau an ihre Grenzen. Die Unterstützung durch die ehrenamtlichen Hospizmitarbeiter in Esslingen gab ihr die Chance, ab und zu Atem zu holen.

Esslingen. „Ohne den ambulanten Hospizdienst hätte ich es kaum geschafft“, sagt Dijana Donner heute. Als klar war, dass sie ihren Mann nicht mehr alleine lassen konnte – etwa um selbst zum Arzt zu gehen oder Einkäufe zu erledigen, wandte sich Dijana Donner an den ambulanten Hospizdienst. Mehr als 60  Frauen und Männer engagieren sich in Esslingen ehrenamtlich im ambulanten Bereich des Hospiz‘ Esslingen. Sie begleiten Menschen zu Hause, im Pflegeheim, Krankenhaus oder auch im stationären Hospiz. Sie kommen tagsüber, um den Angehörigen Freiräume zu schaffen, oder halten Nachtwache, damit diese sich ausschlafen können. Sie geben Sterbenden Nähe und Beistand. Und sie ermöglichen es Menschen, in ihrer gewohnten Umgebung zu sterben.

Evelyn Runge und Barbara Fiessler sind zwei von ihnen. Barbara Fiessler kam vor fünf Jahren, wie sie sagt, „eher zufällig“ zur Hospizarbeit. Die Sozialpädagogin und Mutter von vier Kindern las davon, dass Hospiz-Mitarbeiter gesucht würden und fand in diesem Engagement Erfüllung, auch wenn der Dienst oft nicht leicht ist. Denn es gilt auch, die Hilflosigkeit angesichts des Sterbens und der Not der Angehörigen auszuhalten. „Es ist das Richtige für mich“, sagt die 51-Jährige. Auch Evelyn Runge fühlt sich „auf dem richtigen Weg“. Die 53-Jährige kommt aus dem kaufmännischen Bereich, möchte aber die Arbeit im Hospizdienst nicht mehr missen.

Die Mitarbeiter bringen so vielfältige Lebensgeschichten und Erfahrungen mit wie die Menschen, die sie begleiten. Diese Vielfalt ist auch deshalb wichtig, weil die Chemie zwischen Patienten und Besuchenden stimmen muss. Mit Peter und Dijana Donner hat sich Barbara Fiessler gleich verstanden. Mit zwei anderen Ehrenamtlichen teilte sie sich den Dienst. So konnte sich Peter Donners Wunsch, zu Hause zu sterben, erfüllen. „Wir haben keine Verwandten in der Nähe, die Alternative wäre ein Pflegeheim gewesen“, sagt seine Frau.

Dijana Donner erfuhr von ihrem Arzt vom ambulanten Hospizdienst. Auch Pflegepersonal in Heimen oder Kliniken weisen die Angehörigen auf die Möglichkeit hin, sich dort Unterstützung zu holen. „Es war sehr beruhigend, zu wissen, dass es jemanden gibt, an den ich mich wenden kann“, sagt Donner. Für sie war es nicht nur wichtig, ihren Mann in guten Händen zu wissen, wenn sie selbst außer Haus musste, sondern auch Gesprächspartner zu haben, zu denen sie mit ihren Sorgen und Fragen kommen konnte. Anfangs sei es nicht leicht gewesen, andere Menschen ins Haus zu holen. „Ich musste lernen, etwas abzugeben, denn eigentlich wollte ich ja jede Minute bei meinem Mann sein. Doch man darf es nicht als Verrat ansehen, wenn man sich Hilfe holt“, appelliert sie an Menschen in ähnlicher Lage. „Oft brauchen uns die Angehörigen mehr als die Sterbenden“, weiß Evelyn Runge

Die Hospiz-Mitarbeiter richten sich ganz nach den Bedürfnissen der Patienten und Angehörigen. „Wir schauen und hören, was gebraucht wird“, erklärt Barbara Fiessler. Schön sei es, wenn man letzte Wünsche erfüllen könne. Einer Frau brachte sie immer eine Butterbrezel mit, in einem anderen Fall ermöglichten die Hospiz-Mitarbeiter noch einen Grillabend und einen Besuch im Fußballstadion. „Oft halten wir einfach die Hand.“ Schwer sei es, wenn von Patienten gar keine Reaktion mehr komme, sind sich die beiden einig.

Manchmal aber suchen die Patienten das Gespräch, wollen Unbewältigtes aussprechen, letzte Dinge loswerden. All dies bleibt dann im Raum, denn die Hospiz-Mitarbeiterinnen unterliegen der Schweigepflicht. Und: „Es wird auch viel gelacht.“ Geht eine Begleitung wie bei Peter Donner über längere Zeit, entstehen zuweilen persönliche Beziehungen. „Die Hospiz-Mitarbeiter waren Teil der Familie“, sagt Dijana Donner.