Zwischen Neckar und Alb

Stopp für die mobile Praxis

Versorgung Vor zwei Jahren nahm das fahrende Behandlungszimmer der Malteser seinen Dienst auf, um Flüchtlinge in den großen Unterkünften zu versorgen und Arztpraxen zu entlasten. Jetzt ist Schluss. Von Matthäus Klemke

Marc Lippe (links), Dr. Jochen Herkommer und Susanne Lippe hoffen, dass sie ein neues Einsatzfeld finden.
Marc Lippe (links), Dr. Jochen Herkommer und Susanne Lippe hoffen, dass sie ein neues Einsatzfeld finden.

Als Malteser und Landratsamt Ende 2015 die Presse zur Vorstellung der neuen mobilen Arztpraxis einluden, war man sichtlich stolz auf dieses bundesweit einzigartige Projekt. Auch Landrat Heinz Eininger ließ es sich nicht nehmen, sich die technischen Feinheiten ganz genau erklären zu lassen. Immerhin hatte der Landkreis 180 000 Euro für den Kleinbus und Personalkosten ausgelegt.

Ziel war es, mit der mobilen Arztpraxis eine möglichst effiziente und schnelle medizinische Versorgung in den großen Notunterkünften zu gewährleisten. „Außerdem sollten die Arztpraxen entlastet werden, die mit dem Ansturm zum Teil einfach nicht mehr fertig wurden“, sagt Susanne Lippe, Leiterin des ärztlichen Notfalldienstes der Malteser.

Zwei Jahre nach Inbetriebnahme der mobilen Arztpraxis scheint man die Dienste des Kleinbusses, der von außen einem Rettungswagen ähnelt, nicht mehr zu benötigen. Viele Notunterkünfte leeren sich und die Menschen verteilen sich auf die Ärzte vor Ort.

Die Auswirkungen sind schwer abzuschätzen

 

„Die Zusammenarbeit zwischen den Maltesern und dem Landratsamt war von vornherein auf zwei Jahre beschränkt“, sagt Marc Lippe, Leiter des Malteser Rettungsdienstes. Verhandlungen mit dem Landratsamt über eine Vertragsverlängerung gab es bisher nicht.„Man kann nur schwer abschätzen, welche Auswirkungen der Wegfall des Dienstes haben wird“, sagt Marc Lippe. Dr. Jochen Herkommer, ärztlicher Leiter der Malteser Nürtingen, sieht den Stopp der mobilen Arztpraxis skeptisch: „In den größeren Städten wird es keine Probleme geben, dort können sich die Menschen auf die vielen Ärzte verteilen. Kleinere Gemeinden könnten Schwierigkeiten bekommen“ Susanne Lippe befürchtet außerdem, dass nicht nur Ärzte vor Ort mehr zu tun bekommen werden: „Wir waren in den zwei Jahren der direkte Ansprechpartner für Sozialarbeiter. Sie hatten einen direkten Draht zu uns. Jetzt müssen sie selbst schauen, in welcher Praxis eine Person untergebracht werden kann. Das kann sehr zeitaufwendig sein.“

550 Patienten im Monat

 

37 000 Kilometer hat man in den zwei Jahren mit der mobilen Arztpraxis zurückgelegt. Von montags bis samstags fuhren ein Arzt und ein Sanitäter in die Massenunterkünfte. „Anfangs hatten wir einen Pool von 30 Ärzten, zum Schluss waren es aber nur noch zehn“, sagt Lippe. 550 Menschen pro Monat haben sie behandelt, das sind 1 650 im Quartal. In einer normalen Praxis kommen rund 1 200 Patienten im Quartal.

Neben einer chirurgischen Ausstattung sind sogar EKG und Ultraschall in der mobilen Praxis vorhanden. Behandelt wurde alles, vom leichten Husten, über chronische Leiden bis hin zu Infektionskrankheiten. Allerdings hatten es die Mediziner in den zwei Jahren nicht nur mit körperlichen Beschwerden zu tun: „Viele der Menschen, die zu uns kamen, hatten psychische Probleme durch das Erlebte“ sagt Herkommer.

In den Ruhestand wollen die Malteser die mobile Praxis nicht verabschieden. Sie suchen nach einem neuen Einsatzfeld für den Wagen. Ideen gibt es viele: „Die mobile Arztpraxis könnte zum Beispiel zur medizinischen Versorgung von Obdachlosen oder für Zeltlager mit Kindern genutzt werden“, sagt Marc Lippe.

Laut Herkommer wäre die fahrende Praxis auch auf dem Land gut aufgehoben: „In strukturschwachen Region, in denen es wenige Ärzte gibt, könnte man die medizinische Versorgung mithilfe der mobilen Arztpraxis deutlich verbessern.“