Zwischen Neckar und Alb
Streit um Tiny Houses: Kommen Bauflächen für Minihäuser?

Wohnungsnot Weil Wohnraum knapp ist und neue Baugebiete kaum verfügbar sind, suchen Kommunen nach neuen Konzepten. Damit rücken auch in Esslingen Tiny Houses in den Fokus. Von Alexander Maier

Quer durch die Republik suchen Kommunen nach Möglichkeiten, um neuen und möglichst bezahlbaren Wohn­raum zu schaffen. Städte wie Esslingen müssen jedoch mit ihren raren freien Flächen haushalten. Deshalb sind neue Konzepte gefragt – etwa die Aufstockung von Gebäuden oder die Verdichtung gewachsener Quartiere. Weil Raum bekanntlich in der kleinsten Hütte ist, rücken sogenannte Tiny Houses in den Fokus – Minihäuser, die auf kleiner Grundfläche nur das bieten, was man zum nachhaltigen Leben und Wohnen wirklich braucht.

Auch in Esslingen gibt es Interessenten für solche Konzepte. Was fehlt, sind Grundstücke, um sie zu verwirklichen. Die SPD-Ratsfraktion will die Verwaltung beauftragen, „geeignete Flächen ausfindig zu machen, die in begrenztem Umfang für Pilotprojekte für Kleinsthäuser genutzt werden können“. Eine kurzfristige Lösung scheint aber nicht in Sicht.

 

„Das ist alles,
bloß kein billiger
Wohnraum.
Hermann Falch (Freie Wähler) zur Idee, über Tinyhäuser bezahlbares Wohnen in der Stadt zu schaffen.

Geht es nach den SPD-Ratsmitgliedern Christa Müller, Heidi Bär und Nicolas Fink, dann sollte die Stadt die Chance nutzen, „Erfahrungen mit solchen Sonderwohnformen zu sammeln, um die Potenziale für die Siedlungsentwicklung zu erkunden“. Neben der Nutzung von Flächen, die für andere Wohnformen ungeeignet sind, könne die Quartiersentwicklung eine Rolle spielen. Doch im Rathaus beurteilt man Minihäuser skeptisch – die Gründe hat Gunnar Seelow vom Stadtplanungsamt nun im Ausschuss für Technik und Umwelt (ATU) des Gemeinderats erläutert.

Freistehende Kleinsthäuser sieht Seelow eher kritisch: „Das Verhältnis vom Flächenverbrauch zur geschaffenen Wohnfläche ist bei dieser Wohnform ungünstig.“ Je nach Baugrundstück könne die erreichbare städtebauliche Dichte manchmal etwas höher sein als bei Einfamilienhaussiedlungen mit großen, frei stehenden Häusern. Sie reiche aber nicht an Geschosswohnungsbau oder übliche Reihenhausbebauungen heran. Zudem seien Tiny Houses „entgegen der landläufigen Meinung nicht ressourcenschonend oder nachhaltig“: Wegen des ungünstigen Verhältnisses von Gebäudehülle zu umbautem Raum seien unverhältnismäßig viele Ressourcen nötig. Zudem erforderten Ver- und Entsorgung eine aufwendige Infrastruktur oder seien gar nicht zu realisieren.

Die Esslinger Bauverwaltung erhält immer wieder Bauanträge, die wegen der Lage im Außenbereich, fehlender Erschließung oder unzulässiger Feuerstellen abgelehnt werden müssen. Wenn alle baurechtlichen Anforderungen erfüllt seien, werde eine Baugenehmigung erteilt. Auf ihren wenigen verfügbaren Flächen wolle die Stadt „eine wirklich nachhaltige Wohnbauentwicklung in Form von verdichtetem Wohnungsbau realisieren“. Deshalb finden die Stadtplaner: „In Esslingen gibt es derzeit keine geeigneten städtischen Grundstücke, auf denen baurechtlich Tiny Houses zugelassen werden oder die befristet dafür verpachtet werden können.“

Ein Konzept, das in Karlsruhe von sich reden macht, stellte Seelow im ATU vor: In vielen größeren Städten gibt es Wohnsiedlungen mit langen eingeschossigen Garagenreihen im Hinterhof, die viel Fläche für geringe Nutzung belegen. Deshalb hat die städtische Wohnbaugesellschaft ein Pilotprojekt gestartet, das solche Garagen mit Ein- und Zwei-Zimmerwohnungen in Holzbauweise aufstockt. Doch auch das sei keine Patentlösung, weil etwa Ver- und Entsorgung, Barrierefreiheit, Statik oder Stellplätze nur schwer zu regeln seien. So wurde der Antrag zu den Akten gelegt.

Heidi Bär (SPD) fand die Antwort aus dem Rathaus „desillusionierend“. Weil Wohnraum dringend benötigt werde, müssten alle Möglichkeiten genutzt werden. Deshalb legten SPD und Grüne einen weiteren Antrag nach und forderten, die Verwaltung möge „vorschlagen, wie geeignete Flächen auf städtischen Gebäuden und Garagen für die Errichtung und Erprobung von Projekten mit Kleinstwohnhäusern ausfindig gemacht werden könnten“. Und sie solle aufzeigen, wie bauliche Vorgaben für Kleinstwohnhäuser auf bestehenden Dachflächen im Sinne der Nachhaltigkeit erarbeitet werden und ob die Wohnraumoffensive des Landes solche Projekte ermöglichen könnte.

Karin Pflüger (CDU) sieht bei den Minihäusern viele Nachteile und empfiehlt, die Stadt solle es lieber privaten Bauherren erleichtern, ihre Grundstücke effektiver zu nutzen. Eberhard Scharpf (Freie Wähler) findet es richtig, „zu schauen, wo Restflächen bebaut werden können“. Jürgen Menzel (Grüne) ist sicher, dass die Schwierigkeiten lösbar sind – die Wirtschaftlichkeit müsse jeder Bauherr selbst beurteilen. Das sieht auch Ulrich Fehrlen (FDP) so, während Johanna Renz (Linke) fordert, die Stadt müsse alles tun, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Doch da ist Hermann Falch (Freie Wähler) skeptisch: „Das ist alles, bloß kein billiger Wohnraum.“ Am Ende wurde der gemeinsame Antrag von SPD und Grünen angenommen, Minihäuser bleiben auf der Agenda.