Zwischen Neckar und Alb
Streuobstwiesen: Ein Ort zum Schaffen oder Chillen?

Politik In Sachen „Streuobstwiesen-Paradies“ kommen sich Landschaftsschutz und Freizeit oftmals in die Quere. Von Gaby Kiedaisch

In den vergangenen neun Monaten hat das Thema Streuobstwiesen und Freizeitverhalten auf sich aufmerksam gemacht. Nachdem sich auch der Gemeinderat in Wendlingen jüngst damit beschäftigt hat und derzeit die betroffenen Streuobstwiesenbesitzer im Austausch mit dem Landratsamt sind, ist auch die Politik gefordert, sich der Problematik, wie Landschaftsschutz und Streuobstwiesen-Nutzung zusammengebracht werden können, anzunehmen und nach praktikablen Lösungen zu suchen.

Auf der einen Seite will man den Schutz dieser einmaligen Kulturlandschaft in ihrer Biodiversität, auf der anderen Seite ist das Land aber auch auf die Unterstützung von vielen Tausend privaten Stücklesbesitzern angewiesen, die deren Pflege und Bewirtschaftung beibehalten oder übernehmen. War das Obststückle und das Äckerle früher notwendiger Bestandteil der Eigenversorgung, ist heute niemand mehr darauf angewiesen. Die Bereitschaft schwindet längst, damit ausschließlich „Geschäft zu haben“, zumal auch der Zentner Äpfel kaum mehr das Bücken lohnt. Da kann man es den Streuobstwiesenbesitzern kaum verdenken, wenn sie ihr Stückle in ihrer Freizeit nicht nur pflegen, sondern auch hin und wieder für die Erholung nutzen wollen.

Wer kann also helfen, dieses Dilemma aufzulösen, sodass jeder, die Natur und die Wiesenbesitzer/­-pächter, etwas davon haben? Was sagen die Abgeordneten der verschiedenen Fraktionen im Landtag dazu? Wir haben bei den drei Vertretern des Wahlkreises Kirchheim nachgefragt.

Dr. Natalie Pfau-Weller erkennt die „enorme Bedeutung“ der Unterstützung durch die Bevölkerung für den Erhalt der Streuobstwiesen. Zum einen hält sie es für wichtig, dass „Verbraucher Streuobstprodukte aus der Region kaufen“, zum anderen, dass auch „Stücklesbesitzer die Begeisterung bei der Pflege ihrer Obstwiese nicht verlieren“. Um den Streuobstbestand zu erhalten, braucht es nach den Worten der CDU-Landtagsabgeordneten „Kompromisse“. Aus ihrer Sicht „ist es an der Zeit, die Landschaftsschutzverordnung zu überprüfen und auszuloten, ob alle Regeln auch heute noch zeitgemäß sind“.

Andreas Schwarz ist sich bewusst, dass mit „der Pflege der Streuobstwiesen ein hoher persönlicher Aufwand verbunden“ ist. In seinem Statement bedankt sich der Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen deshalb bei all jenen, „die sich intensiv für unsere heimische Kulturlandschaft einsetzen“. Auch hält er den Wunsch nach Geschirrhütten für nachvollziehbar, um Arbeitsgeräte aufzubewahren. Allerdings haben nach seinem Dafürhalten Freizeit- und Partyhütten auf der Streuobstwiese nichts verloren. „Das hat mit der Pflege nichts zu tun“, unterscheidet Schwarz deutlich. Ebenso begrüßt er es, dass das Landratsamt im Gespräch mit den Betroffenen um eine einvernehmliche Lösung bemüht ist. Nicht auf jeder Parzelle werde es möglich sein, eine Geschirrhütte zu errichten, da man so die freie Landschaft im Landschaftsschutzgebiet nicht erhalten könne. Daher ist er für eine Prüfung „größerer dezentraler Geräteunterstandsmöglichkeiten“. Für das nächste Jahr, so der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, „planen wir zusätzliche Investitionen in den Naturschutz von mehr als 15 Millionen Euro“. So sollen das Artenmonitoring fortgesetzt, zusätzliche Stellen für den Vollzug des Biodiversitätsstärkungsgesetzes bei den Landratsämtern und Regierungspräsidien geschaffen und die Mittel nach der Landschaftspflegerichtlinie fortgeführt werden.

Andreas Kenner ist stellvertretender Vorsitzender des Petitionsausschusses im Landtag sowie Obmann der SPD im Ausschuss. In dieser Funktion ist er zum gleichen Thema Streuobstwiese andernorts unterwegs. Auch die hiesige Interessengruppe plant, den Petitionsausschuss in dieser Sache anzurufen. Der Sozialdemokrat stellt die rhetorische Frage: Wollen wir Streuobstwiesen oder nicht? Da dies aus seiner Sicht keine Frage ist, müsse man „nachjustieren“. Die entsprechenden Gesetze müssten deshalb geändert werden. Das werde nicht über Nacht geschehen, weiß auch Kenner. Beim Thema Gerätehütten ist er der Meinung, dass sie zur Bewirtschaftung und Pflege auf der Streuobstwiese dazugehören.