Zwischen Neckar und Alb

Tagestreff hilft beim Start in ein neues Leben

Projekt Menschen in Armut haben kaum eine Chance auf dem Wohnungsmarkt. Doch wer keine Bleibe hat, rutscht schnell weiter ab. Da greift eine neue Idee. Von Nicole Mohn

Für schätzungsweise 140¿000 Euro soll das Wohnhaus oben umgebaut werden. Da ist beim Tagestreff Nürtingen die Freude groß über d
Für schätzungsweise 140000 Euro soll das Wohnhaus umgebaut werden. Da ist beim Tagestreff Nürtingen die Freude groß über die Spende in Höhe von 80000 Euro vom Rotary Club Nürtingen-Kirchheim. Fotos: Nicole Mohn

Noch stehen in den Zimmern keine Möbel, fehlen Küchen und Badezimmer. Für Iris Maier-Strecker vom Tagestreff Nürtingen besteht dennoch Grund zum Feiern. Mit dem Haus in Oberensingen hat die Einrichtung der eva (Evangelische Gesellschaft) endlich den Rahmen für ein Projekt gefunden, das den Verantwortlichen schon seit Jahren unter den Nägeln brennt. Bis zu acht Bewohner sollen hier in Wohngemeinschaften auf Zeit unterkommen. Unterstützt von Sozialarbeitern des Tagestreffs sollen sie Schritt für Schritt wieder zurück in die Eigenständigkeit finden.

Langen Atem hat das Projekt gebraucht. Schon vor drei Jahren bat eva-Vorstand Prof. Dr. Jürgen Armbruster bei verschiedenen Institutionen um eine Förderung für das Vorhaben. „Eigentlich hatten wir gehofft, das Nachbargrundstück des Tagestreffs bekommen zu können“, berichtet er. Als sich die Idee zerschlug, machte sich die eva auf die langwierige Suche nach einem geeigneten Objekt.

Das hat sich nun in Oberensingen gefunden. Auf drei Etagen sollen Wohnräume für bis zu acht Bewohner entstehen. Pro Etage gibt es eine Küche, dazu sanitäre Einrichtungen und einen Gemeinschaftsraum. Auch eine Terrasse und ein großer Garten mit Obstbäumen gehören zum Haus. Im Erdgeschoss werden ein Büro für die Betreuer plus ein Notübernachtungszimmer eingerichtet.

Lieber gestern als morgen würde die Leiterin des Treffs das Projekt starten. „Die Lage ist prekär“, sagt Iris Maier-Strecker. Ständig bekommt die Einrichtung E-Mails von Menschen, die keine Wohnung finden, von Ratsuchenden, die überall abgewiesen oder rausgeflogen sind. Auch Harry Held von der Fachberatungsstelle kennt viele solcher Fälle. Gerade erst hat er die Geschichte eines jungen Mannes Anfang 20 auf den Tisch bekommen. Seit drei Jahren lebt der nun schon auf der Straße, schläft mal in Parks, mal auf dem Sofa von Bekannten. Bei seiner Familie ist er rausgeflogen, da war er noch nicht einmal volljährig.

Mit der Unterkunft allein ist Menschen wie diesem jungen Mann fürs Erste geholfen. „Aber die Arbeit fängt dann eigentlich erst an“, sagt Held. Es gilt, wieder Struktur in den Alltag zu bringen und wieder Fuß zu fassen, vielleicht zur Schule zu gehen oder einen Job zu finden. Genau dabei sollen die Betreuer des Wohnprojektes in der Stuttgarter Straße helfen, in das Hilfesuchende auf Zeit einziehen werden. „Ziel ist es, dass die Menschen wieder auf eigenen Beinen stehen lernen“, sagt Iris Maier-Strecker.

Sobald die Umbauarbeiten abgeschlossen sind, sollen die ersten auch schon einziehen können. Rund 140 000 Euro, so schätzt die Leiterin des Tagestreffs, kostet der Umbau des Einfamilienhauses. Der Rotary Club Nürtingen-Kirchheim unterstützt das Projekt mit 80 000 Euro. Bereits vor drei Jahren ist der Club auf das Projekt aufmerksam geworden. In einer Zeit, in der die Flüchtlingskrise die Schlagzeilen beherrschte, sei es den Mitgliedern wichtig gewesen, andere Probleme und Personengruppen darüber nicht aus den Augen zu verlieren, sagt Präsident Rolf-Michael Müller, der zusammen mit seinen Vorgängern im Amt, Hans Weil und Hans-Peter Weyhmüller, den Scheck übergab. Weitere Unternehmen der Region sponsern das Projekt zusätzlich noch.

Den laufenden Betrieb trägt der Tagestreff aus den Mieten. „Die laufen in der Regel über das Jobcenter“, sagt Iris Maier-Strecke. Die Kosten für die Betreuung im Haus übernehmen die zuständigen Stellen beim Landratsamt.