Zwischen Neckar und Alb

Talent für die Fitzelarbeit

Hobby Roland Munz baut historische Schiffsmodelle mit viel Geduld und Fingerspitzengefühl. Doch an der Arbeit als Bootsbauer hat der Plochinger kein Interesse. Von Greta Gramberg

Roland Munz braucht viel Geduld für sein Hobby. Auf dem Bild unten zeigt er eins seiner besonders gelungenen Miniaturschiffe.Fot
Roland Munz braucht viel Geduld für sein Hobby. Auf dem Bild unten zeigt er eins seiner besonders gelungenen Miniaturschiffe.Fotos: Roberto Bulgrin

Wer ganz aus der Nähe auf die Details blickt, wähnt sich selbst auf Deck, spürt schon fast den Seegang unter den Füßen und Gischt im Gesicht: Roland Munz legt viel Wert auf Sorgfalt bei seinem Hobby, dem Bau von Schiffsmodellen. In seiner kleinen „Werft“ – einem Tisch im hellen Obergeschoss seines Hauses – verwendet der Plochinger viele Stunden aufs Studieren von Bauplänen und anschließend auf das Leimen, Anstreichen und Knoten. Die Ergebnisse stehen den großen Kriegsschiffen, denen sie nachempfunden sind, in nichts nach – bis auf die Größe.

Dabei ist Munz selbst kein Seebär. Wieso er dennoch dieses Hobby wählte, dafür findet der 76-Jährige gleich mehrere Gründe: „Ich habe Interesse an der Seefahrt, studiere sehr gerne Baupläne und das Verarbeiten von Edelhölzern macht mir Spaß.“ Seit etwa 40 Jahren betreibt Munz sein kleinteiliges Hobby, das er aufgrund eben dieser Fitzelarbeit überhaupt schätzt. Die Arbeit als Bootsbauer an großen Schiffen könne er sich nicht vorstellen. „Das interessiert mich nur in Miniatur“, sagt er.

Und auch ein Leben als Matrose käme für ihn nicht infrage: „Nein, nein, nein!“, antwortet Roland Munz entschieden auf die Frage, ob er im Nachhinein eher ein Leben auf See wählen würde. Denn er war zwar noch nie auf einem großen historischen Kriegsschiff, wie er sie baut. Doch beim Mitsegeln auf kleineren Booten auf dem Bodensee hat er sich das ein oder andere Mal schon in das Leben eines Seemannes reinversetzt und überlegt: Was haben die Matrosen früher mitgemacht? Schließlich lebten nur die Kapitäne in der komfortablen Kajüte.

Hauptberuflich hat sich Roland Munz einen weitaus weniger strapaziösen Beruf ausgesucht: Er ist gelernter Schriftsetzer und war bis zur Rente 36 Jahre lang bei der Firma Bechtle, dem Verlag der Eßlinger Zeitung, angestellt. Dabei hat er allerdings immer eine entscheidende Eigenschaft bewiesen, die auch Voraussetzung für den Erfolg in seinem Hobby ist: viel Geduld. „Abgeleitet von meinem Beruf hab ich mein Hobby schon“, gibt der Plochinger zu.

Die Takelage ist Pinzettenarbeit, denn solch ein Modell nimmt viel Zeit in Anspruch, in der man seine feinmotorischen Fähigkeiten beweisen muss und keine Wurstfinger haben darf. 40 bis 600 Stunden saß Roland Munz in den vergangenen Jahren an jedem einzelnen seiner Schiffsmodelle, deren Konstruktionsanleitungen und Materialien er in Baukästen erhält. „Besonders aufwendig ist die Herstellung der Takelage“, erzählt der Experte. Rund 900 Knoten an nur einem Schiff, muss der Modellbauer mit der Pinzette knüpfen. Bei der Wahl der Modelle sind dem Plochinger zwei Aspekte wichtig: „Meine Kriterien sind optisch. Das Ding muss mir gefallen und es muss schwierig sein.“

Auch wenn die Historie für ihn also eher eine untergeordnete Rolle spielt, kennt sich der frühere Schriftsetzer inzwischen dennoch aus mit dem Leben an Bord und auch der Technik der Boote. „Ich hab natürlich jede Menge Literatur, in der jedes Teil ­exakt beschrieben wird“, sagt Roland Munz. Sein Wissen beweist er etwa, wenn er den unwissenden Betrachter darauf hinweist, dass die königliche Jacht „Mary“ keine Flügel hat. „Das sind Stabilisatoren, die man runter ins Wasser lassen kann.“

Munz’ ganzer Stolz sind aber drei andere Boote, die im „Museumsstüble“ stehen, wie er das Zimmer mit passend historischem Mobiliar nennt: Zwei russische Kriegsschiffe sowie eine arabische „Sciabecco“ (auf deutsch Schebecke) mit einer interessanten, dreieckigen Latein-Besegelung sowie aufwendigen Ornamenten an der Reling. Sie seien einfach am schönsten geworden, erklärt der Modellschifffan seine Präferenz und verweist auf die gut gelungenen Details wie Kanonen, Rettungsboote und Takelage. Ein anderes Prestigemodell steht dagegen an exponierter Stelle im Wohnzimmer: An der „Friesland“ von 1663 hat Roland Munz in den Jahren 1983 bis 1985 beeindruckende 600  Stunden gearbeitet.

Rund 20 Modellschiffe hat Roland Munz seit 1976 gebaut. Aktuell sitzt er an der „HMS Pegasus“ aus dem Jahr 1776. Es soll sein letztes Projekt dieser Art werden. „Alles hat seine Zeit“, erklärt der 76-Jährige. Seine Augen seien nicht mehr so gut wie vor 20 Jahren und er habe auch keinen Platz mehr. „Ich bin bereit, das ein oder andere Modell abzugeben“, sagt er sogar. Was für ein Hobby er anschließend in Angriff nehmen will, weiß Munz noch nicht. Und irgendwie hat er sich ein Hintertürchen offen gelassen, falls er es sich anders überlegt und doch noch weitermachen will. Seine Tochter lache immer über seine Ankündigung, aufzuhören. Er habe sie nämlich schon mehr als einmal gemacht.

Info Wer Interesse am Kauf eines Schiffsmodells hat, kann sich bei Roland Munz unter der Telefonnummer 0 71 53/2 76 18 melden.

foto: roberto bulgrin31. 12. 2016Plochingen, Panoramastr. 85, Roland Munz baut historische Schiffsmodelle
foto: roberto bulgrin31. 12. 2016Plochingen, Panoramastr. 85, Roland Munz baut historische Schiffsmodelle
foto: roberto bulgrin31. 12. 2016Plochingen, Panoramastr. 85, Roland Munz baut historische Schiffsmodelle
foto: roberto bulgrin31. 12. 2016Plochingen, Panoramastr. 85, Roland Munz baut historische Schiffsmodelle