Zwischen Neckar und Alb

Tauschbörse für gerettete Lebensmittel

Nachhaltigkeit Der Verein „Foodsharing“ und die evangelisch-methodistische Kirche in Esslingen richten einen neuen „Fairteiler“ ein. Von Sabine Försterling

Der neue Fairteiler wird von Katja Reinboth (ganz rechts), Beate Latendorf und Pastor Markus Bauder mit essbarem Nachschub bestü
Der neue Fairteiler wird von Katja Reinboth (ganz rechts), Beate Latendorf und Pastor Markus Bauder mit essbarem Nachschub bestückt.Foto: Roberto Bulgrin

Katja Reinboth rettet Lebensmittel. Heute hat die engagierte Ärztin einen großen Korb mit Salaten und Radieschen dabei. Die hat sie direkt vom Erzeuger erhalten, der sie sonst weggeschmissen hätte. Ein weiterer Korb ist bis zum Rand gefüllt mit Brötchen und Brezeln von einer Bäckerei. Die immer noch appetitlich aussehenden Lebensmittel vom Vorabend wandern statt auf den Müll nun in die für jedermann zugängliche kleine Hütte mit Regalen vor der Friedenskirche: in den sogenannten Fairteiler.

Seit zweieinhalb Wochen betreut ein dreiköpfiges Team des Vereins „Foodsharing“ diesen neuen Fairteiler, der jeden Tag neu bestückt wird. Zwei weitere stehen im Jugendtreff Nord und im Zentrum für Arbeit und Kommunikation (ZAK) in Esslingen. Das Konzept geht auf: „Käsekuchen sind manchmal nach einer Stunde weg“, hat Katja Reinboth festgestellt. Spätestens am nächsten Tag seien alle Regale leer. Oft würden so 100 liegen gebliebene Brötchen oder mehr noch einen Abnehmer finden. Genau das ist das Ziel: Katja Reinboth geht es in erster Linie um Nachhaltigkeit in einer Überflussgesellschaft, in der viele Lebensmittel weggeworfen werden. Besonders sinnvoll sei es, wenn Bedürftige zugreifen, findet sie.

Der neue Fairteiler steht Wand an Wand und buchstäblich unter einem Dach mit der „Givebox“ vor der Friedenskirche, die von der evangelisch-methodistischen Gemeinde betreut wird - eine großartige Erweiterung, sagt Pastor Markus Bauder. Seit Oktober 2014 kann jeder, der etwas übrig hat - sei es Kleidung, Spielzeug, Bücher oder Geschirr - diese Dinge in der „Give­box“ deponieren, und jeder, der etwas davon braucht, kann es mitnehmen. Inzwischen gebe es eine richtige Laufkundschaft, und zwar aus allen Schichten, sagt Bauder.

Ein junges Paar habe einmal kurzerhand in dem kleinen Holzbau das Durcheinander aufgeräumt, erzählt Beate Latendorf, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit in der Kirchengemeinde. Denn die ganze Nachbarschaft fühle sich inzwischen verantwortlich. Der Vandalismus, den manch einer befürchtet hatte, sei bislang ausgeblieben, erzählt der Pastor. Auch beim Fairteiler gibt es dieses Problem laut Reinboth bislang nicht.

Vielmehr werde die Einrichtung genutzt wie gewünscht: Als Katja Reinboth aus Neugier einmal Mäuschen spielte, hätten sich innerhalb einer kurzen Zeitspanne eine kinderreiche Familie, eine Dame mit einem Auto sowie ein augenscheinlich Bedürftiger hier bedient, erzählt sie. Heute nimmt sich ein 38-jähriger Roma aus der Slowakei zwei Brötchen und eine Brezel mit. Der Vater ist öfter in Esslingen, um ein bisschen Geld für seine Familie mit dem Verkauf der Straßenzeitung „Trott-war“ zu verdienen, schläft während seines Aufenthalts im Park oder in Unterführungen und duscht bei der evangelisch-methodistischen Kirchengemeinde.

Allerdings gibt es laut Reinboth schon Verbesserungspotenzial: „Wir brauchen besonders in der Innenstadt dringend einen Kühlschrank.“ Vor Kurzem habe sie Unmengen von Lebensmitteln wie Joghurt und Käse kurz vor Ablauf des Haltbarkeitsdatums erhalten. Der Kühlschrank des Fairteilers im Jugendtreff Nord sei alsbald voll gewesen. Und außerdem sei dieser wie auch der im ZAK nur zu den Öffnungszeiten der Einrichtungen zugänglich. Vor der Friedenskirche kann man sich hingegen rund um die Uhr bedienen. Die Kirchengemeinde und der Verein „Foodsharing“ wollen sich nun Gedanken über eine Möglichkeit zur Kühlung der Lebensmittel machen. Aber schon jetzt ist jeder dazu aufgerufen, Lebensmittel, die nicht gekühlt werden müssen, in den Fairteiler zu stellen, anstatt sie wegzuwerfen.