Zwischen Neckar und Alb

Typen halt

Für ihre Holzskulpturen wirft Andrea Halm die Kettensäge an

Typen halt
Typen halt

Köngen. Einen mit fettigen Haaren hat sie im Kopf gehabt, rot sollten sie sein. Und die Glupschaugen und der riesige Mund, die müssen sowieso

sein. Daraus ist der Seeschneckenkönig „Samuel der Schräge“ entstanden. Bevor Andrea Halm ihre Kettensäge anwirft, sieht sie die Typen, die sie aus dem rohen Holzblock schnitzen will, schon genau vor ihrem inneren Auge.

Das Verrückte, das Extreme hat Andrea Halm schon immer gemocht. Sei es bei ihren eigenen Klamotten, ihrer Wohnungseinrichtung oder eben bei ihrer Kunst. Sie hat keine Angst vor Farben, es darf knallen. „Das gefällt nicht jedem, aber das macht nichts“, sagt sie. Das sagt sie an diesem Vormittag immer wieder. So oft, dass man denkt: Vielleicht tut es ihr doch ein bisschen weh.

Die 52-Jährige hat sich vor zehn Jahren mit einer Werbeagentur in ihrem Heimatort Köngen selbstständig gemacht. Ihr Büro ist gleichzeitig ihr Ausstellungsraum. Die Arbeiten brauchen nämlich viel Platz. „Ich hab’s nicht so mit dem Kleinen“, sagt sie. Anders als bei den Auftragsarbeiten für Homepages oder Flyer muss sie bei ihrer Kunst keine Abstriche machen. „Da hab’ ich die völlige Freiheit. Ich muss nicht verkaufen.“ Obwohl sie natürlich nicht Nein sagt, wenn einer fragt.

Angefangen hat Andrea Halm vor 15 Jahren mit Acrylbildern. Da waren ihre drei Töchter noch klein, und sie hat sich lieber mit Kunst ausgetobt als bei der Hausarbeit. Dann kamen Metallarbeiten dazu, zweidimensionale Figuren, die sie aus Stahlplatten rauslasern lässt. Aber da war immer diese Sehnsucht nach dem Dreidimensionalen. Vor zwei Jahren ist sie auf die Skulpturen gekommen. Eine Kettensäge hatte sie vorher noch nie in der Hand. „Das ist ganz anders als Malen. Malen ist Urlaub dagegen“, sagt sie. Bei einem Wochenendworkshop in der Bildhauerschule Reutlingen hat sie gelernt, mit dem schweren Gerät umzugehen. Ihr Bruder Jochen Maier ist Landschaftsgärtner, von ihm bekommt sie die Baumstämme.

Zwei Wochenenden steht sie für so eine Skulptur mit der Kettensäge in ihrem Hof. Samstag und Sonntag volle Pulle durch. Das geht in die Arme, da spürt sie ihren ganzen Körper. Sie mag das Grobe an dieser Arbeit. Die rohe Holzskulptur flammt Andrea Halm dann ab, die Farben rührt sie aus Pigmentpulver an. Sind die Figuren für draußen, kriegen sie noch mal eine extra Lackschicht.

Wenn sie mit der riesigen Säge im Hof steht, halten manchmal Leute mit dem Auto an und sagen, gell, das wird ein Engel. Dann muss sie lachen, damit haben Elli Spirelli, Irokäse oder der Seeschneckenkönig wirklich rein gar nichts gemein. Andrea Halm nennt sie „die Typen halt“.

Die Namen überlegt sich ihr Bruder, Mitglied im „Verein gegen unterdrückte Lebensfreude“. „Er sagt mir am Ende, was ich da gemacht habe. Und zu jeder Figur denkt er sich auch eine Geschichte aus.“ Zum Beispiel zu Frau Müller geborene Gnylpf: „Eine eingeheiratete Androidin von Centaurie VIa muss sich ob zu laxer Auslegung der Kehrwochenregelung so manchen hitzigen Wortverweis, nicht zuletzt durch Herrn Nägele vom 3. Stock, anhören.“

Glupschaugen und dicke Lippen: Das verbindet fast alle Skulpturen von Andrea Halm, auch den Seeschneckenkönig (links). Foto: Ane
Glupschaugen und dicke Lippen: Das verbindet fast alle Skulpturen von Andrea Halm, auch den Seeschneckenkönig (links). Foto: Anette C. Halm/oh