Zwischen Neckar und Alb
Überall waren offene Gräber zu sehen

Erdbeben Konvoi aus Aichtal und Rettungskräfte aus dem ganzen Kreis sind nach Kroatien gefahren und haben 100 Tonnen Hilfsgüter gebracht. Von Matthäus Klemke

Am Wochenende hatte sich ein Hilfskonvoi aus Aichtal in das Erdbebengebiet in Kroatien aufgemacht. Rettungskräfte aus dem gesamten Landkreis Esslingen brachten 100 Tonnen Hilfsgüter wie Leitern, Werkzeuge, Feuerwehrgeräte, Lebensmittel und Hygieneartikel in die zerstörten Dörfer südlich von Zagreb. Aichtals Bürgermeister und Feuerwehrmann Sebastian Kurz war schockiert von der Gegend, die aussieht wie ein Kriegsgebiet. Ganze Häuser wurden von dem Beben Ende Dezember dem Erdboden gleichgemacht. Kurz‘ Fotos lassen erahnen, welche Naturgewalt die Region Sisak-Moslavina getroffen haben muss. Sieben Menschen kamen bei der Katastrophe ums Leben.

Bereits am 1. Januar war ein Konvoi aus Aichtal mit vier Fahrzeugen gestartet. Dieses Mal waren es 22 und insgesamt 55 Einsatzkräfte. „Kurz vor Abfahrt hatte sich noch die Firma Breuninger gemeldet und 68 Kartons neue Kleidung gespendet“, so Kurz.

Wie dringend die Hilfsgüter aus Deutschland benötigt werden, bekamen die Helfer schon kurz nach dem Grenzübergang zu spüren: „Eine Polizeieskorte begleitete uns bis nach Zagreb. Es war wie bei einem Staatsbesuch“, sagt Kurz: „Am Straßenrand standen Leute und applaudierten. Sie wussten, dass wir kommen, weil das Fernsehen darüber berichtet hatte.“ In der stark verwüsteten Region zeigte sich den Helfern dann ein schreckliches Bild. „Insgesamt sind 20 000 Häuser so stark beschädigt, dass sie nicht bewohnbar sind“, erzählt Kurz.

Besonders schlimm betroffen ist die kleine Stadt Glina, nur wenige Kilometer vom Epizentrum des Bebens entfernt. Hier wurden die Helfer unter anderem von Kroatiens ehemaliger Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarovic und Glinas Bürgermeister Stjepan Kostanjevic in Empfang genommen.Auf einem Rundgang durch die Stadt wurde den Helfern das Ausmaß der Zerstörung bewusst: „Es sah aus, wie nach einem Luftangriff“, erinnert sich Kurz: „Feuerwehrleute bekommen oft schlimme Dinge zu sehen. Aber nicht in dieser Größenordnung.“ In Glina sei ein großes Zelt aufgestellt worden. „Dort wurden einige Leute untergebracht. Andere schlafen in ihren Autos.“ Dann erzählt Kurz von einem Moment, der ihm besonders nahegegangen ist: „Wir kamen zu einer zerstörten Kirche. Nebenan war ein Friedhof mit vielen Steingräbern, und durch das Erdbeben hatten sich die Steinplatten verschoben. Überall waren offene Gräber.“ Eines der größten Probleme: Die zahlreichen beschädigten Hausdächer. „Unsere Planen und Leitern kamen gerade rechtzeitig“, sagt Kurz. Doch nicht jedes Gebäude kann gerettet werden, denn zur Sicherung fehle das richtige Werkzeug. Auch sei die Feuerwehr vor Ort für solche Katastropheneinsätze nicht gerüs- tet. Deshalb möchte Kurz versuchen, in Deutschland ausgemusterte Feuerwehrfahrzeuge zu organisieren. „Autos, die bei uns 20, 30 Jahre alt sind, gelten da als neu.“ Erschöpft kehrten die Helfer am Sonntag gegen 22 Uhr zurück.