Zwischen Neckar und Alb

Umgehen mit Schuld und Scham

Austausch Ehemalige Suchtkranke tauschen ihre Erfahrungen aus – ein Kaleidoskop von Sauferei, Schuld und Gnade.

Nürtingen. Die Frage nach dem Umgang mit Schuld und Scham stand im Mittelpunkt des 13. Jahrestreffens der Psychosozialen Beratungs- und Behandlungsstelle für Suchtgefährdete und Suchtkranke Nürtingen (PSB) in der Alten Seegrasspinnerei. Ehemalige und aktuelle Teilnehmer der ambulanten Sucht-Rehabilitation treffen sich einmal im Jahr zu einem ungezwungenen Austausch.

„Schuld sein oder nicht sein - das ist hier die Frage“ formulierte Maria Köster-Sommer, die Leiterin der Suchtberatung, bei ihrer Begrüßung das Thema.

Der Beratungsstellenarzt Dr. Wolfgang Steigleder beleuchtete in seinem Kurzvortrag das Thema Schuld aus verschiedenen Blickwinkeln - von finanziellen Schulden über Schuld im Strafrecht oder Religion und Ethik. Ist, wer krank wird, selbst schuld, fragte er. Steigleder riet dazu, von Verantwortung zu sprechen, die jeder Einzelne tragen müsse, um eine Erkrankung möglichst zu verhindern.

Dr. Isabelle Friedrich, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiterin der ambulanten Reha, erläuterte, wie sich die Teilnehmer ihren Schuld- und Schamgefühlen stellen müssen. „An der Vergangenheit kann man nichts ändern, wohl aber an unserer heutigen Situation.“ Dazu müsse man versuchen, den Ursprung zu identifizieren, warum jemand so und nicht anders geprägt wurde.

Wie Betroffene mit dem Thema Schuld und Scham umgehen, wollte Therapeut Gunther Wöllenstein in einer Podiumsdiskussion mit Absolventen der ambulanten Reha wissen. Rainer H. betonte: „Dankbarkeit und Demut gehören zu meinem heutigen Leben, aber auch die Erinnerung daran, wie beschissen mein Leben in meiner nassen Zeit war.“ Petra B. unterscheidet zwischen den kleinen Gewissensbissen und den großen Schuldgefühlen, wenn man jemanden verletzt habe. Inge A. sagt frei heraus: „Die letzte Zeit meines Trinkens war die Hölle.“ Wie wichtig ist es, Vergebung zu erfahren, fragte Gunther Wöllenstein. Jochen S. hat die Zeit seines Trinkens anders erlebt als die anderen: „Als ich trank, war ich im Paradies. Doch danach konnte ich mit der Schuld nicht umgehen.“ Seine Ehe zerbrach, und heute hat er keinerlei Kontakt zu seinen Kindern. „Meine Schuld ist, was ich durch meine Sauferei meinen Kindern mitgegeben habe“, bekennt er. Er sagt aber auch: „Ich darf mir selbst gegenüber Gnade walten lassen, auch wenn ich schuldig geworden bin.“Ulrike Rapp-Hirrlinger