Zwischen Neckar und Alb

Umstrittenes Zugeständnis an Festo

Stadt Esslingen übernimmt 317 000 Euro der Kosten für Straßenbau – Kritiker pochen auf Vertragstreue

Ausbau in Sicht: Nach den Sommerferien rücken zwischen Zollberg und Nellingen die Bagger an. Im Vorfeld gibt es Streit über die
Ausbau in Sicht: Nach den Sommerferien rücken zwischen Zollberg und Nellingen die Bagger an. Im Vorfeld gibt es Streit über die Kosten. Foto: Bulgrin

Esslingen. In Esslingen weiß man, was man an der Firma Festo hat. Das Unternehmen gehört zu den größten Arbeitgebern und zu den wichtigsten Steuerzahlern in der Stadt.

Dass das Unternehmen seine Zent­rale weiter ausbaut, dass in zwei Bauabschnitten rund 2 800 Arbeitsplätze geschaffen oder angesiedelt werden, gilt als wichtiges Signal für den Standort. Das gute Verhältnis zwischen Rathaus und Konzernleitung erlebt in diesen Tagen allerdings eine schwere Belastungsprobe. Selbst wohlmeinende Stadträte schütteln den Kopf über die Verantwortlichen in Berkheim, die im Zusammenhang mit dem Ausbau eines Verkehrsknotens von der Kommune ein 317 000 Euro teures Zugeständnis verlangen.

Nur widerstrebend hat eine Mehrheit des Gemeinderats akzeptiert, dass ein Vertrag aus dem Jahr 2013 zum Ausbau des Straßennetzes zwischen Zollberg und Nellingen im Sinne der Firma Festo geändert wird. Ursprünglich hatte sich der Konzern verpflichtet, maximal 24,4 Prozent der Kosten von 2,6 Millionen Euro zu übernehmen, die an der Nellinger Linde entstehen. In der zweiten Jahreshälfte 2016 soll dort die Kreuzung der Kreisstraßen 1216 und 1268 ausgebaut werden. Zu diesem Beitrag – konkret handelt es sich um 634 000 Euro – hatte sich das Unternehmen zunächst verpflichtet, weil nur mit dieser Investition der zusätzliche Verkehr bewältigt werden kann, der mit den Festo-Plänen an der Aufstiegsstraße Berkheim verbunden ist. An diese Zusage fühlt sich der Konzern inzwischen nicht mehr gebunden. Er will jetzt nur noch die Hälfte zahlen.

Begründet wird das Umdenken in einer städtischen Vorlage mit dem schlechten Preis für die Grundstücke, die Festo in das Vorhaben einbringt. Das Land will, wie in solchen Fällen üblich, nur sechs Euro pro Quadratmeter bezahlen und damit nur einen Bruchteil des aktuellen Verkehrswerts für Gewerbeflächen. Dass jetzt die Stadt Esslingen für dieses Minusgeschäft einspringen soll, hat im Rathaus zuletzt zu hitzigen Diskussionen geführt. Als es im Gemeinderat jetzt zum Schwur kam, verschafften SPD, CDU, Freie Wähler und Oberbürgermeister Jürgen Zieger einem entsprechenden Antrag aber eine deutliche Mehrheit. Doch nur Zieger verteidigte uneingeschränkt die Entscheidung, von der selbst manche Befürworter sagen, sie sei nur schwer vermittelbar. „Ich stelle mich schützend vor Festo“, erklärte der Oberbürgermeister. Das Entgegenkommen der Stadt sei „ein Beitrag zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit“.

Sehr viel zurückhaltender begründeten Andreas Koch (SPD), Jörn Lingnau (CDU) und Annette Silberhorn-Hemminger (Freie Wähler) ihr Ja. Sie ließen sich von der Sorge leiten, ein Nein könnte zu einer dauerhaften Verstimmung führen. Ihr Missbehagen brachten sie trotzdem zum Ausdruck. Koch sagte, die SPD stimme nur zähneknirschend zu. Lingnau schüttelte mit dem Kopf und meinte: „Das tut richtig weh.“ Nur mit Vorbehalten wollte auch Annette Silberhorn-Hemminger zustimmen. Grüne, FDP, Linke und FÜR pochten dagegen auf Vertragstreue. „Wir sind über den Vorstoß mehr als irritiert“, erklärte Carmen Tittel (Grüne). Dass ein international aufgestelltes Unternehmen seine vertraglich eingegangenen Verpflichtungen nicht einhalten wolle, sei verblüffend und nicht zu akzeptieren. Ähnlich äußerte sich Tobias Hardt von der Linken, der noch anmerkte, Festo könne 317 000 Euro sehr viel leichter verkraften als die Stadt. Auch Rena ­Farquhar (FDP) fehlte das Verständnis für die Forderung des Konzerns. Ein solches Entgegenkommen ist aus ihrer Sicht nicht vertretbar.

Die Festo-Pressestelle bestätigte, dass die Firma auf die Stadt zugegangen ist und gebeten hat, den Anteil an den Kosten zu senken. Begründet worden sei der Vorstoß mit dem Argument, der Aufwand für Grunderwerb, Baustelle und Bauvorhaben sei in siebenstelligem Umfang gestiegen. Die Halbierung des Beitrags betrachte man als Kompromiss. Er ändere nichts daran, dass sich Festo grundsätzlich zu dem Prinzip bekenne, wonach geschlossene Verträge gelten.