Zwischen Neckar und Alb
Verein „Wildwasser“ fordert mehr Geld für Beratung

Angebot Jede vierte Frau erfährt körperliche oder sexuelle Gewalt. „Wildwasser“ würde ihnen gern ausgiebiger helfen.

Esslingen. Mit Plakaten unter dem Motto „Jede vierte Frau“ will das baden-württembergische Ministerium für Soziales und Integration ein Zeichen gegen Gewalt an Frauen setzen und auf das bundesweite Hilfetelefon aufmerksam machen. Der Verein „Wildwasser“ begrüßt diese Aktion. Denn auch in der Esslinger Fachberatungsstelle gegen sexuelle Gewalt weiß man, dass im Schnitt jede vierte Frau zwischen 16 und 85 Jahren mindestens ein Mal Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt wird.

So suchen bei „Wildwasser“ immer wieder erwachsene Frauen Hilfe, die sexualisierte Gewalt erlebt haben - im Nachtleben, am Arbeitsplatz, in der Beziehung oder im Freundeskreis. Da für die Beratung Erwachsener keine öffentlichen Gelder zur Verfügung stehen, muss der Verein in seine Spendenkasse greifen. Das müsse sich ändern. Um eine umfassende Beratung für Betroffene zu sichern, fordert „Wildwasser“ eine öffentliche Finanzierung.

Durch ihre Tätigkeit im Kinderschutz haben die Mitarbeiter von „Wildwasser“ Kontakte zu Opferschutzanwälten, psychologischen Beratungsstellen, zur Kriminalpolizei, zu Gynäkologen sowie zum Esslinger Klinikum und der dort angesiedelten Traumaambulanz aufgebaut. Dieses Netzwerk kommt auch Erwachsenen zugute, die Gewalt erlebt haben. Doch ist es nicht allein damit getan, betroffene Frauen, die bei „Wildwasser“ anklopfen, weiterzuvermitteln.

Zu wenig Geld, zu viel Nachfrage

Denn nach einem sexuellen Übergriff gelte es, verschiedene Themen zu klären. So geht es in den Beratungsgesprächen zum Beispiel um die Frage, wem man überhaupt von dem sexuellen Übergriff erzählen will, wie man sich in Zukunft schützen kann und ob man den Vorfall bei der Polizei anzeigen will. Da „Wildwasser“ den Aufwand für derartige Beratungsgespräche nicht ersetzt bekommt, „gibt es leider nur ein sehr begrenztes Beratungsangebot, das in seinem Umfang stark schwankt“, erklärt Martina Huck, Geschäftsführerin des Vereins. Um den Betroffenen weiterzuhelfen, muss die Fachberatungsstelle auf die Gelder zurückgreifen, die sie durch Spenden und die Förderung einiger umliegender Gemeinden bekommt sowie bei Benefizveranstaltungen erwirtschaftet.

„Es ist an der Zeit, dass sich die örtliche Politik und Verwaltung dieses Themas annimmt“, sagt die Geschäftsführerin und verweist auf die Istanbul-Konvention. Der Vertrag, der seit Februar dieses Jahres in Deutschland in Kraft ist, soll Frauen vor geschlechtsspezifischer Gewalt schützen. Es geht um Prävention und die spätere Unterstützung von Betroffenen. „Einer Stadt wie Esslingen, die über ein reges kulturelles und soziales Leben verfügt, sollte es eine Pflicht sozialer Verantwortung sein, ihren Bürgerinnen und Bürgern ein Angebot zur Unterstützung nach Gewalt anzubieten“, unterstreicht Martina Huck. „Und dies unabhängig vom Einkommen und Vermögen.“Dagmar Weinberg