Zwischen Neckar und Alb

Viel Raum für Begegnungen

Bau Die evangelische Kirchengemeinde Wendlingen und die Bruderhaus-Diakonie errichten ein Gemeindezentrum, das an ein Wohn- und Unterstützungszentrum für behinderte Menschen angeschlossen ist. Von Julia Theermann

Das Stadtbild hat sich durch den Abriss der Kirche gewandelt. Nur der Turm erinnert noch an die Johanneskirche. Foto: Ines Rudel
Das Stadtbild hat sich durch den Abriss der Kirche gewandelt. Nur der Turm erinnert noch an die Johanneskirche. Foto: Ines Rudel

Das Zentrum von Wendlingen hat sich in den vergangenen Wochen stark verändert. Die Johanneskirche ist - bis auf ihren markanten Turm - verschwunden. An ihrer Stelle entsteht ein gemeinsames Projekt der evangelischen Kirchengemeinde und der Bruderhaus-Diakonie Region Stuttgart.

23 Menschen mit Behinderung sollen ab April 2022 auf drei ­Wohnetagen ein Zuhause finden. Durch einen gemeinsamen Eingang mit dem zukünftigen Gemeindezentrum der evangelischen Kirchengemeinde sollen Begegnungs- und Teilhabemöglichkeiten geschaffen werden. Pfarrer Peter Brändle hob bei einer Vorstellung des Projekts hervor, dass es genau diese gelebte Inklusion sei, die ihn vor einem Jahr dazu bewegt habe, sich auf die Pfarrstelle in Wendlingen zu bewerben. „Viele Menschen haben sonst den Eindruck, die Kirche befände sich auf dem Rückzug“, sagte Brändle. „Wir müssen dahin gehen, wo die Menschen sind.“ Und die sind nun einmal in der Stadtmitte. Brändle träumt von einer regelmäßigen Nutzung der Dachterrasse, beispielsweise für Zusammenkünfte zum Feierabend. „Wir wollen den Eindruck vermitteln, dass hier eine Kirchengemeinde entsteht, die lebt.“

Inklusion als Haltung

Ob sie denn wüssten, was für Menschen sie sich in ihr Gebäude holen würden, seien die Kirchengemeinde und die Stadtverwaltung gefragt worden. Menschen mit Behinderung fielen auf, seien oft nicht leise. Aber das sollen sie auch nicht sein. Wie Bürgermeister Steffen Weigel betonte, will man behinderte Menschen vom Rand in die Mitte der Gesellschaft holen. Auch Bärbel Greiner-Unrath, die als Diakonin bei der Kirchengemeinde arbeitet, findet, Inklusion darf nicht nur „ein Projekt sein, das man irgendwann wieder sein lässt“. Es komme darauf an, die Verschiedenheit zu gestalten, zu leben und zu genießen.

„Ich freue mich, dass unsere Worte nun zu Taten werden“, sagte Ute Schwarzkopf-Binder, die Leiterin der Bruderhaus-Diakonie Region Stuttgart. Sie spielte damit auf den Leitspruch des Stifters Gustav Werner an: „Was nicht zur Tat wird, hat keinen Wert.“ Für sie schließt das neue Wohn- und Unterstützungsangebot in Wendlingen eine wichtige Versorgungslücke im Landkreis Esslingen.

Im September soll der Grundstein für die beiden miteinander verbundenen Gebäude gelegt werden. Der Gebäudeteil der Bruderhaus-Diakonie ist größer als der der Kirchengemeinde. 3,8 Millionen Euro sind dafür veranschlagt. Im Wohnbereich sind drei Wohnungen für je sechs Menschen sowie fünf Einzelwohnungen geplant. Damit auch Menschen mit einem hohen Betreuungsbedarf einziehen können, wird die Einrichtung rund um die Uhr von Mitarbeitern der Bruderhaus-Diakonie betreut.

Für den Gebäudeteil der Kirchengemeinde sind 3,6 Millionen Euro vorgesehen. Unter dem gleichen Dach befinden sich ein großer Raum, in dem Gottesdienste möglich sind, sowie Büros des Kantorats, der Kirchenpflege und des Diakonats. So seien alle kirchlichen Ansprechpartner unter einem Dach. Das verbessere die Kommunikation und schaffe eine Präsenz der Kirche, wie es Hans-Georg Class vom Kirchengemeinderat ausdrückte. Neben Sitzungs- und Gruppenräumen gibt es auch eine Wohnküche mit Gartenzugang sowie eine Saalküche für Caterer. Für die Kirchengemeinde, die noch im Begriff ist, aus zwei Gemeinden zusammenzuwachsen, ist der Neubau ein wichtiges Zeichen, „dass hier etwas Gemeinsames entsteht“, so Class. Es müsse Heimatarbeit betrieben werden, um gut im neuen Gemeindezentrum anzukommen. Es gelte, den selbst verursachten Schmerz des Kirchenabrisses zu heilen.