Zwischen Neckar und Alb

„Voll Stoff“ für die Kunst

Nürtinger Kunstakademie feiert mit Jubiläumswochenende ihren 40. Geburtstag

Die Freie Kunstakademie ist so bunt und lebendig wie die Thomas-Weber-Tanz-Show von Justyna Koeke zum Festakt. Foto: Daniel Jüpt
Die Freie Kunstakademie ist so bunt und lebendig wie die Thomas-Weber-Tanz-Show von Justyna Koeke zum Festakt. Foto: Daniel Jüptner

Nürtingen. Am vermeintlichen Ende wurde getanzt. Keine Bange, die Gäste mussten angesichts der sommerlichen Temperaturen in und um

Andreas Warausch

die Freie Kunstakademie Nürtingen (FKN) herum nicht tätig werden. Sie durften zuschauen bei Justyna ­Koekes Thomas-Weber-Tanz-Show.

Akademieleiterin Dr. Katrin Burtschell freute sich über die vielen Gäste. Für die Kunsthistorikerin war dieser Andrang ein Zeichen der Wertschätzung für die Akademie am Neckarufer. Und ein Zeichen dafür, dass die Akademie tatsächlich in der Gesellschaft angekommen zu sein scheint.

Tatsächlich hätten sich die Gründer dem Ziel verschrieben gehabt, die Gesellschaft durch die Kunst zu humanisieren. Eine Vision, die man dort, wo sich gerade die Ära der Textilindustrie in der Hölderlinstadt ihrem Ende zuneigte, umsetzen wollte. Die Strick-Ära indes hatte 1816 am Melchiorareal begonnen, weshalb man deren 200. Geburtstag zusammen mit dem 40. der FKN in Nürtingen in diesem Jahr feiert.

Katrin Burtschell widmete sich bezeichnenderweise den Gründern um den Bildhauer K. H. Türk, darunter die noch lebenden, Professor Jürgen Thies, Eberhard Weinbrenner und Max Bailly. Dazu auch denen, die der FKN beständig weiter Leben einhauchen: Dozenten und Studenten, die das Haus und sein Wirken prägten.

Von der Arbeit der Studierenden und Dozenten zeugt an diesem Jubiläumswochenende in Nürtingen wieder der Rundgang. So gibt die FKN also ganz gemäß des Jubiläumsmottos „Voll Stoff!“. Doch nicht nur dafür und für die mit der Textilindustrie eng verwobene Geschichte des Orts stehe der Name, so Burtschell, sondern auch für den Enthusiasmus, mit dem an der FKN immer gewirkt werde.

Von Leidenschaft und Enthusiasmus sprach auch Nürtingens Erste Bürgermeisterin Claudia Grau. Das sei so schon gewesen, als sich K. H. Türk den Baggern entgegengestellt habe, um den Abriss des späteren FKN-Gebäudes zu verhindern. Auch in ihrer weiteren Geschichte sei die FKN immer wieder mit schwierigen räumlichen Rahmenbedingungen konfrontiert gewesen.

Auf ein flexibles Berufsleben als Künstler werde man hier vorbereitet. Dabei könne man vieles probieren und werde in kein Korsett gesteckt. Viele mittlerweile renommierte Künstler hätten hier ihre Karriere begonnen. Nürtingen profitiere davon in Form von Ausstellungen und anderen kreativen Veranstaltungen. Die FKN gehöre als fester Bestandteil zur Stadt wie der Neckar.

Mitgründer Professor Jürgen Thies blickte denn als profunder Kenner in seiner Festrede noch einmal zurück: Zunächst sei die Freie Kunstschule ein Fremdkörper gewesen, der skeptisch beobachtet worden sei. Von der Stadtverwaltung habe es einen Vertrauensvorschuss gegeben. Mittlerweile sei die Akademie fester Bestandteil der Ausbildungslandschaft des Landes.

Thies skizzierte unter anderem auch den Weg, weg von einem Verein hin zur Stiftung, er zeigte die Verbindung mit der Jugendkunstschule auf. Ein zentrales Thema war der Werdegang der Hochschule für Kunsttherapie, die ebenfalls aus der FKN hervorging und zuletzt zum etablierten Teil der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt wurde. Ehemalige Studenten und Dozenten, so Thies, würden den Gründungsimpuls und die künstlerische Geisteshaltung weitertragen. Davon zeugten Einrichtungen wie der Trägerverein Freies Kinderhaus, die Alte Seegrasspinnerei, der Kunstverein Nürtingen, der Kulturverein Provisorium oder auch die Galerie Forum Türk.

Thies spannte den Bogen bis hin zum Dichter Friedrich Hölderlin, der oft am Neckar gesessen sei, in einem Gebiet, zu dem später auch der Garten der Villa Melchior gehört habe. Aus diesem Garten habe man wieder ein Kleinod geschaffen, den „Hölderlin-Garten“.

Dann aber wurde getanzt. Ein farbenfrohes, prächtiges und durchaus auch augenzwinkerndes Tanz-Spektakel war es, das da von Justyna Koeke und ihrem achtköpfigen Team geboten wurde. Im Mittelpunkt zuvorderst die fantastischen Outfits, die Koeke, die im nächsten Semester den FKN-Bereich „Textile Medien“ übernimmt, inspiriert von den skulpturalen Objekten des Keramikers Thomas Weber geschaffen hat. Form, Farbe, Bewegung, Klang, pure Lebensfreude verkörperte die aus der Fashion-Show erwachsende Tanzshow – und verkörperte so diese lebendige Vielseitigkeit, für die die FKN steht.