Zwischen Neckar und Alb

Vollgas für die Brennstoffzelle

Technologie Nach dem Entwicklungszentrum für Wasserstoffantriebe in Nabern und der Batteriefabrik in Brühl baut Daimler in der Pliensauvorstadt jetzt noch ein Werk für Brennstoffzellen. Von Gerd Schneider

Das Danfoss-Areal gilt als Filetstück für Gewerbeansiedlungen. Es spielt in den Plänen von Daimler auf dem Weg zum Hersteller vo
Das Danfoss-Areal gilt als Filetstück für Gewerbeansiedlungen. Es spielt in den Plänen von Daimler auf dem Weg zum Hersteller von Brennstoffzellen-Lkw eine zentrale Rolle. Foto: Roberto Bulgrin

Vollgas, das Wort ist jetzt oft zu hören, wenn man bei Daimler über Brennstoffzellen spricht. Der Fahrzeugkonzern möchte unbedingt vermeiden, auch bei dieser Zukunftstechnologie ins Hintertreffen zu geraten - so wie es ihm und den anderen deutschen Herstellern bei der Entwicklung der Batteriezelle ergangen war. Nur so ist zu erklären, dass sich gestern eine Nachricht verbreitete, die offenbar selbst die Stadt Esslingen unvorbereitet traf. Von der Entscheidung, auf dem Danfoss-Areal in der Pliensauvorstadt Brennstoffzellen für Lastwagen zu bauen, wisse man nichts, hatte die Pressestelle zunächst verlauten lassen. Umso größer dann die Freude über die Entscheidung. Davon gehe „ein wichtiges Signal für die gesamte Region“ aus, sagte Oberbürgermeister Jürgen Zieger, gerade im „gegenwärtig angespannten wirtschaftlichen Klima“.

Daimler will auf dem Gelände in der Pliensauvorstadt in die Serienproduktion für CO2-neutrale Antriebsaggregate einsteigen, denen gerade im Fernverkehr eine große Zukunft vorausgesagt wird. Elektromotoren mit ihren schweren Batteriespeichern eignen sich dafür eher nicht. Brennstoffzellen gewinnen Energie aus der Umwandlung von Wasserstoff in Strom. Der Herstellungsprozess solcher Triebwerke ist kompliziert und daher aufwendig. Dafür braucht es Präzisionswerkzeuge, Sauberräume und nicht zuletzt qualifiziertes Personal.

Im Laufe des nächsten Jahres sollen in einem ersten Schritt 50 bis 100 Beschäftigte in die Produktion einsteigen, darunter viele Ingenieure. Bislang waren die Spezialisten für Brennstoffzellen in Untertürkheim angesiedelt. Im Laufe der nächsten Jahre sollen dann etwa 250 Mitarbeiter im neuen Werk auf dem Danfoss-Areal tätig sein. Auch Volvo, ebenfalls ein großer Lkw-Hersteller, soll später mit von Partie sein. Die Manager der beiden Unternehmen haben vereinbart, bei der Brennstoffzellen-Technologie gemeinsame Sache zu machen. Ein Entwicklungszentrum für Wasserstoffantriebe unterhält Daimler auch in Nabern. Daran soll sich nichts ändern, wie eine Sprecherin gestern versicherte.

Schnelle Entscheidung

Die Entscheidung zum Einstieg in die Produktion von Brennstoffzellen fiel offenbar recht kurzfristig. Bislang hatte es immer geheißen, Daimler wolle in der Pliensauvorstadt Werkzeuge für den Schmiede-, Presserei- und Gießereibetrieb produzieren. Ob die alten Pläne damit hinfällig sind, dazu wollte sich Daimler nicht äußern.

OB Zieger wertete die Ansiedlung auf dem Industriegebiet an der B 10 als Beleg dafür, dass „die Region die Herausforderung der neuen Mobilitätsanforderungen verstanden hat“. Die Stadt habe frühzeitig für die neue Nutzung der Gewerbegebiete geworben, „auch gegen Widerstände“, wie Zieger betonte. Im Werk in Brühl, unweit vom Danfoss-Gelände, baut Daimler seit dem vergangenen Jahr eine Produktionshalle für Batterien, die in elektrisch betriebenen Autos zum Einsatz kommen sollen. Esslingen könnte damit für Daimler zu einem wichtigen Standort für Zukunftstechnologien werden.

Das Danfoss-Areal soll in einigen Jahren insgesamt 900 Menschen Arbeitsplätze bieten. Im April des vorigen Jahres hatte der Gemeinderat den Weg für die Umsetzung der Daimler-Pläne frei gemacht. Allerdings war das nicht unumstritten. So ist nach wie vor unklar, wie das Gewerbegebiet an die Bundesstraße angeschlossen werden soll. Eine neue Aus- und Einfahrt auf die B 10 wäre für viele in der ohnehin stark verkehrsbelasteten Pliensauvorstadt eine Wunschlösung. Doch gerade die Einfahrt vom Danfoss-Areal direkt in die Bundesstraße gilt als kaum realisierbar, weil die Anschlussstellen auf der viel befahrenen Achse zwischen Esslingen und Stuttgart schon jetzt eng aufeinander folgen.

Auch die vom Investor Greenfield Development geplanten Neubauten für Daimler bereiteten dem Gemeinderat einige Bauchschmerzen. Die geplante zweistöckige Produktionshalle und das Bürogebäude überschreiten die Höchstgrenzen des Bebauungsplanes deutlich. Das Bauwerk soll um rund zwei Meter höher sein als die 13,5 Meter, die im Bebauungsplan vorgesehen waren. Mit der Zustimmung setzte sich der Gemeinderat auch über die Bedenken des Bürgerausschusses aus dem Stadtteil hinweg. Dieser hatte das Vorgehen als Aushöhlung demokratischer Prozesse bezeichnet.