Zwischen Neckar und Alb
Vom heißen Backofen bis nach Sibirien

Export Die Firma Karl Klein aus Aichwald stellt spezielle Ventilatoren für verschiedene Branchen her und verkauft diese an Firmen auf der ganzen Welt. Von Marion Brucker

Sie belüften, saugen und kühlen, die Ventilatoren des Aichwalder Unternehmens Karl Klein. Geschäftsführer Manfred Griesinger weist in seiner Präsentation auf den von Christo verhüllten Reichstag in Berlin. „Er wurde mit unseren Ventilatoren in Form gehalten“, erklärt der Diplom-Ingenieur und deutet auf die höchste Abfüllanlage für Wasser in der Welt. Sie steht auf 4300 Meter Höhe in der Nähe der tibetischen Hauptstadt Lhasa und ist wie das Segelschiff Gorch Fock der Bundeswehr mit Ventilatoren des Familienunternehmens ausgerüstet.
 

„Seit Da Vincis Erfindung hat sich das Prinzip des Ventilators kaum verändert.
Manfred Griesinger
Geschäftsführer bei der Firma
Karl Klein Ventilatorentechnik

 

Der 54-Jährige käme aus dem Aufzählen nicht mehr heraus, wäre da nicht der Wunsch mancher Kunden, aus Wettbewerbsgründen nicht genannt zu werden. Die Radialventilatoren werden in Baumaschinen über Schaltschränke, Trocknungs-, Filter- und Räucheranlagen, Bäckereimaschinen, Labortechnik und Schiffsbau eingesetzt.

Klein sei besonders bei Kniffligem gefragt. Die Firma produziert nicht Massenware, da könnte sie im Preis mit der Konkurrenz in Asien nicht mithalten. Ihre Radialventilatoren – hier wird die Luft von vorne angesaugt und nach außen weggeschleudert – werden in der Regel auf Kundenwünsche speziell entwickelt, wenn es beispielsweise darum geht, dem Saharasand in Zügen stand zu halten, den eisigen Temperaturen in Sibirien oder dem Mehlstaub in Großbacköfen. 18 Beschäftigte hat das Unternehmen dafür in Forschung und Entwicklung. Eigene Patente hält Klein jedoch nicht. „Seit Leonardo Da Vincis Erfindung hat sich das Prinzip des Ventilators kaum verändert“, begründet Griesinger.

Besonders das Chinageschäft wächst seit zwei bis drei Jahren. Im Werk im thüringischen Petersberg macht der Exportanteil dorthin bereits 70 Prozent aus. Zwar stellten die Chinesen kleine Geräte selbst her, doch bei großen vertrauten sie auf Made in Germany. Ebenso wie Klein-Kunden aus der deutschen Autoindustrie, die in China produzieren. Insgesamt beträgt der weltweite Exportanteil bei Klein rund 25 Prozent. Und er werde immer höher. 2020 lag der Umsatz bei 17 Millionen Euro. Dieses Jahr soll er auf 19 Millionen Euro klettern.

Die Auftragsbücher sind prall gefüllt. „Noch nie in der Firmengeschichte hatten wir einen Auftragsbestand von rund zwölf Wochen“, sagt Griesinger. Normal seien sechs bis acht Wochen, doch seit Beginn dieses Jahres habe sich das geändert. Der Geschäftsführer begründet dies damit, dass elektronische Bauteile und Elektromotoren schwierig zu beschaffen seien. Eine Folge von Corona. „Die Kunden reagieren erstaunlicherweise verständnisvoll“, sagt Griesinger. Viele kennen es schon von anderen Lieferanten. Klein versucht das Problem mit einem deutlichen Vorlauf in den Griff zu bekommen. Standardventilatoren hätten sie auf Lager, doch bei individuell angefertigten sei dies nicht möglich.

„Der Kunde ist alles“, diese Maxime seines Vaters, der Landmaschinen vertrieb, hat sich Griesinger zum Leitmotto gemacht. Als er 2010 zu Klein kam, sei gerade die Finanzkrise vorüber und die Kurzarbeit im Unternehmen ausgelaufen gewesen. Er hörte immer wieder, die Kunden würden gerne große Produkte haben. Die Aichwalder hätten nicht die entsprechenden Kapazitäten gehabt und Kunden wegschicken müssen. Klein habe bis dahin nur Gehäuse und wenige Motoren gebaut. Doch Ventilatoren bestehen aus drei Hauptkomponenten, Motor, Gehäuse und Laufrad. „Die meisten der rund 100 Konkurrenten weltweit fokussieren sich auf zwei Komponenten, kaufen die dritte dazu“, erklärt Griesinger. Er sorgte deshalb dafür, dass die Laufräder dazu kamen, und zwar, indem er die entsprechenden Firmen wie die Kamptmann GmbH aus Crailsheim aufkaufte. „Wir kaufen nur, was Sinn macht“, sagt Griesinger. Zum 60. Firmenjubiläum 2010 hatte das Unternehmen 64 Mitarbeiter, heute sind es 124. Davon arbeiten 92 in Aichwald, der Rest in Thüringen. Jetzt schon suchen sie zwei Azubis für 2022, einen im kaufmännischen und einen im technischen Bereich.

 

Vom Einzelunternehmen zum​ Global Player

1950 gründete der 30-Jährige Karl Klein in Esslingen als Einzelunternehmen eine Metalldrückerei. Er hatte im Zweiten Weltkrieg ein Bein verloren und konzentrierte sich gemeinsam mit seiner Frau Anneliese zunächst auf Lohnveredelung. Sie packte die Ware auf einen Leiterwagen und fuhr mit dem Zug bis nach Geislingen, um die Ware unter anderem zur Firma WMF zu bringen. 1955 fing das Unternehmen des Ehepaars damit an, Industrieleuchten, Maschinen-Haftleuchten, Sicherheits-Fassleuchten für Holzfässer und Handlampen zu produzieren.
1960 zogen sie nach Aichwald.1965 stiegen sie in die Produktion von Radialventilatoren ein. Als im Jahre 1986 das neue Produktionsgebäude mit Schweißerei und Schlosserei gebaut wurde, hatte der Familienbetrieb mittlerweile schon 50 Mitarbeiter. Zum 40. Firmenjubiläum 1990 errichte Klein ein neues Verwaltungs- und Lagergebäude, 1995 folgten eine Montagehalle mitsamt eines Entwicklungslabors.
1998 schied Firmengründer Karl Klein aus dem Unternehmen aus. Bernd Scheffel übernahm die Geschäftsführung, die seit 2010 Manfred Griesinger bis heute inne hat. Haupteigentümer des Familienunternehmens ist eine der beiden Töchter des Gründerehepaars sowie der Sohn der im vergangenen Jahr verstorbenen zweiten Tochter.
Unter der Ägide von Geschäftsführer Manfred Griesinger wurde in den vergangenen Jahren kräftig in den Bestand investiert, aber auch und zugekauft. 2011 war es der Zulieferer von Ventilatorrädern, die Kamptmann GmbH in Crailsheim, 2012 folgte die Produktlinie Radialventilatoren APOVENT und APOGUSS von Piller GmbH in Moringen/Niedersachsen und 2014 kam die Bluevent Thüringen GmbH in Eisenberg dazu. Dort erweiterte Klein im Jahr 2016 die Produktionsfläche. Zwei Jahre später, 2018, strukturierten sie den Produktionsstandort der Firma Kamptmann um und bauten ein Verwaltungs- und Produktionsgebäudes im neuen Industriegebiet. Parallel dazu wurde der Erweiterungsbau für die Endmontage, den Versand und die Lagerfläche in Aichwald errichtet. mb