Zwischen Neckar und Alb
Vom Schießplatz zur „Wohlfühlwelt“

Vorstellung Der Autor Joachim Lenk lässt die Geschichte des ehemaligen Schießplatzes in seinem jüngsten Buch „Baracken, Bataillone und Bâtiments“ lebendig werden. Das Vorwort schrieb Günther Oettinger. Von Anneliese Lieb

Vor fünf Jahren hat Franz Tress das „Alte Lager“ in Münsingen gekauft. Das ehemalige Militärgelände baut Tress zu einer „zivilen, nachhaltigen Wohlfühlwelt“ um. Er rettete die Anlage vor dem Zerfall und investierte in den zurückliegenden Jahren viel Geld.

„Über 130 Dächer habe ich gerichtet, Wasserleitungen und Abwasserkanäle erneuert und Stromleitungen verlegt.“ Mit seinen Infrastrukturmaßnahmen ist Tress freilich noch lange nicht am Ende, wie er bei der Buchpräsentation im Palais Württemberg verriet. Eine Holzhackschnitzelanlage, Photovoltaik und ein Blockheizkraftwerk gehören zum naturnahen Konzept der Tourismusanlage. In den zurückliegenden Jahren haben sich auch verschiedene Manufakturen in den ehemaligen Truppenunterkünften angesiedelt. Im Gebäude der Königlichen Post hat Tress das Café „Leib und Seele“ eröffnet. Eine Rotwildanlage, ein Disc-Golf-Parcours, ein Kinderspielplatz und zwei Hotels sollen darüber hinaus entstehen. Franz und Annegret Tress wollen ein Zentrum für Tourismus schaffen.

Diese Entwicklung ist ganz im Sinne von Günther Oettinger. Der ehemalige Ministerpräsident von Baden-Württemberg und bis vor Kurzem EU-Kommissar, kennt den Truppenübungsplatz und das „Alte Lager“ von ersten Besuchen in den 1970er- und 1980er-Jahren. Mit seinem Amtsantritt als Ministerpräsident und seiner Regierungserklärung hat er die Idee des ersten Biosphärenreservats in Baden-Württemberg vorangebracht. „Das Ziel war, keinen Museumscharakter anzustreben, sondern den Schutz der Landschaft und die nachhaltige Nutzung in Einklang zu bringen.“ Wo früher die Kasernen der Bundeswehr waren, stehen heute Einfamilienhäuser. „Münsingen hat heute doppelt so viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze als zuvor“, sagte Mike Münzing, der seit 23 Jahren Bürgermeister der etwas mehr als 14 000 Einwohner zählenden Stadt ist.

Autor spricht mit 200 Zeitzeugen

Buchautor Joachim Lenk ist Journalist und Reserveoffizier. Er kennt das Militärcamp seit 35 Jahren. Zwischen 1985 und 2005 war der Oberstleutnant der Reserve zuerst als Soldat und später als Wehrübender auf dem Gelände.

Am 24. Oktober 1895 fand das erste Scharfschießen auf dem Truppenübungsplatz statt. Ein Jahr später wurden die Baracken gebaut. Die Wirtschaftsgebäude, die Offiziersspeiseanstalt, die Badeanstalt, die Ställe für die Pferde, die Generalswohnung und die Mannschaftsunterkünfte weihten die Militärs 1897 ein. Nach der Jahrhundertwende folgten weitere Baracken und das Postgebäude.

Mit der Machtübernahme der Nazis 1933 herrschte Hochbetrieb in der Soldatensiedlung. Es wurde renoviert und neu gebaut. Nach dem Zweiten Weltkrieg übernahm die französische Armee das rund 72 Hektar große Gelände mit damals noch mehr als 200 Gebäuden. 1992 nach dem Abzug der Franzosen ging das Gelände an die Bundeswehr. Mit der Schließung des Münsinger Truppenübungsplatzes am 31. Dezember 2005 endete die militärische Nutzung des „Alten Lagers“.

Joachim Lenk beleuchtet in seinem Buch aber nicht nur die militärische Nutzung, er hat auch über all die Einrichtungen geschrieben, die sich am Rande entwickelt haben. Etwa Hotels und Fabriken oder das Tonfilm-Theater. Lenk sprach mit mehr als 200 Zeitzeugen. Aus der Vielzahl der Fotos, Pläne und Postkarten, die er zusammengetragen hat, sind mehr als 950 im Buch veröffentlicht.