Zwischen Neckar und Alb

Wann Gott Bonuspunkte gibt

Projekt Die ersten zwei Schulen im Kreis Esslingen nehmen am Modellprojekt „Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen“ teil. Von Greta Gramberg

In zwei Schulen im Landkreis gibt es islamischen Religionsunterricht. Symbol-Foto: Carsten Riedl
In zwei Schulen im Landkreis gibt es islamischen Religionsunterricht. Symbol-Foto: Carsten Riedl

Bismillah! – Bismillah! – Bismillah!“, rufen die Kinder und klatschen dazu im Takt auf ihre Oberschenkel und in die Hände. Sie sitzen zu neunt in einem Klassenzimmer der Wielandschule Sielmingen im Halbkreis um ihre Lehrerin herum. Erst seit vier Wochen erteilt Tuyrak Vural den Erstklässlern islamischen Religionsunterricht sunnitischer Prägung. Wie das Anfangsspiel zeigt, haben die Kinder in dieser Zeit schon etwas gelernt: „Bismillah“ ist eine arabische Lobpreisformel, die zu Beginn fast jeder Sure des Korans steht.

Die 33 Jahre alte Vural hat erst vor kurzem ihr Referendariat beendet und ihr Prüfungszeugnis erhalten. Darum konnte der Unterricht erst im Oktober starten. Wie Schulleiterin Karin Genitheim erzählt, hatte sich niemand sonst auf die Stelle beworben. Doch mit dem Regierungspräsidium konnte ein Kompromiss gefunden werden. Sonst hätte die Wielandschule nicht am Modellprojekt „Islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen in Baden-Württemberg“ teilnehmen können.

Gründe dafür mitzumachen, nennt Genitheim mehrere: Die Filderstädter Grundschule würden viele Kinder mit Migrationshintergrund besuchen, die nicht den evangelischen und katholischen Unterricht besuchen und in dieser Zeit anderweitig betreut werden müssen. Zudem seien Eltern an die Schulleitung herangetreten mit dem Wunsch, am Modellprojekt teilzunehmen. Eine Umfrage habe dann ergeben, dass die nötigen Mindestteilnehmerzahlen vorhanden waren – Vural gibt in allen vier Klassenstufen Religionsunterricht. In der Schulkonferenz, in der auch Vertreter der Eltern sind, habe sie Überzeugungsarbeit leisten müssen, erzählt Genitheim. „Viele verwechseln den muslimischen Glauben mit Islamismus.“ Am Ende gab aber eine große Mehrheit die Zustimmung.

Auch die neue Lehrerin im Kollegium ist überzeugt von dem Modellprojekt: „Es ist eine große Errungenschaft, und ich hoffe, dass es auch nach 2018 fortgesetzt wird.“ Tuyrak Vural hat an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg Grundschullehramt für die Fächer Geschichte, Deutsch und Englisch studiert und den Erweiterungsbaustein „Islamische Religionspädagogik“ draufgesetzt. Die 33-Jährige weiß, dass das nicht alle gut finden. „Es ist ein extremes Zeichen für Leute, die den Islam für eine frauenunterdrückende Selbstmordreligion halten.“ In dieser Gesellschaft sei der Islam negativ konnotiert, sagt Vural. Und man könne auch nicht behaupten, die Terrorakte hätten nichts mit dem Islam zu tun.

Gegen diese Radikalisierung kann ihrer Meinung nach auch Religionsunterricht in Schulen nicht schützen. Doch er kann bei der Identitätsbildung helfen, ist sich die zweifache Mutter sicher. Wie der evangelische und katholische ist auch der islamische Religionsunterricht im Land bekenntnisorientiert. „Das heißt, ich glaube wirklich an Gott und gebe das den Kindern weiter“, sagt Tuyrak Vural. Auch die Kinder seien alle muslimischen Glaubens mit unterschiedlichen Wurzeln: Die Familien stammen aus der Türkei, dem Kosovo, den arabischen Ländern oder seien konvertierte Deutsche. Ganz unterschiedlich stark würde der Glauben in den Haushalten ausgelebt. Während ein Mädchen bereits Arabischunterricht hat und ganze Suren auswendig zitieren kann, wissen andere nichts über den Schöpfungsgedanken.

Angesichts der vielen Kritiker ist es Tuyrak Vural wichtig, dass sie sich in ihrem Unterricht an den Bildungsplan hält, der für jeden auf den Internetseiten des Landes einsehbar ist. Darin ist festgehalten, dass auf Deutsch gelehrt wird und die Kinder befähigt werden, ihren Glauben gegenüber anderen zu vertreten, aber auch Anderssein zu akzeptieren. Wer dem Unterricht folgt, merkt schnell, dass er sich nicht viel von dem unterscheidet, was parallel in den Stunden anderer Religionen geschieht.

Im Klassenzimmer wird an diesem Tag über eine Bildergeschichte gesprochen. Sie handelt vom Propheten Mohammed, der einem Hund in der Wüste Wasser gibt. „Was passiert, wenn man dem Hund hilft?“, fragt die Lehrerin. Ein Junge weiß bereits, was der Gläubige dann von Gott erfährt: „Dann kriegt man Bonuspunkte!“, sagt er.