Zwischen Neckar und Alb

Wendlingen geht mit gutem Beispiel voran

Richtfest Im Gruppenklärwerk Wendlingen gibt es gute Nachrichten: Beim Bau der vierten Reinigungsstufe wird es bei geplanten 8,3 Millionen Euro bleiben. Von Peter Dietrich

Betonbauer Reiner Wörz von der Firma Brodbeck lässt das Glas zerschellen.Fotos: Peter Dietrich
Betonbauer Reiner Wörz von der Firma Brodbeck lässt das Glas zerschellen.Fotos: Peter Dietrich

Noch ist sie bei Kläranlagen freiwillig, die zusätzliche Reinigungsstufe, die Spurenstoffe herausfiltert. Doch Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker, Vorsitzende des Zweckverbands, ist sich sicher: „Das wird verpflichtend werden.“ Aber aktuell ist es die erste derartige Reinigungsstufe im Landkreis Esslingen, in ganz Baden-Württemberg gibt es erst ein knappes Dutzend davon.

Für Matt-Heidecker geht es darum, „dass man in die Zukunft baut und Verantwortung für kommende Generationen übernimmt“. Bezahlt wird die große Investition hauptsächlich von den knapp 100 000 Bürgern und den Betrieben, die ans Gruppenklärwerk Wendlingen angeschlossen sind, über die Abwassergebühr. Das Land übernahm eine Förderung von 20 Prozent. Bei allen überwundenen Hindernissen, wie den Fund von Altöl, ist der Bau für Matt-Heidecker ein Beweis, „welches Leistungsvermögen gerade ein kommunales Unternehmen hat.“

Turbine sorgt für Strom

Neithard Müller, Geschäftsführer von Weber-Ingenieure in Pforzheim, war als Projektplaner voll des Lobes: Die Zusammenarbeit aller Stellen sei „extrem gut“, aus seiner Sicht sei das „ein Vorbildprojekt“ und ganz gewiss keine Elbphilharmonie, kein Berliner Flughafen und auch kein Stuttgart  21. Mit Hilfe einer bereits eingebauten Wasserkraftturbine und einer geplanten Fotovoltaikanlage auf dem Dach erzeuge die neue Reinigungsstufe ein Drittel ihres eigenen Strombedarfs selbst.

Weber blickte auch zurück: Der Zweckverband wurde 1961 gegründet, fünf Jahre später ging die erste mechanische Reinigungsstufe in Betrieb. 1973 folgte die biologische Reinigung. Seit 1994 werden in einer weiteren, dritten Reinigungsstufe Nährstoffe eliminiert. Zur jetzigen vierten Reinigungsstufe gehört ein großes Aktivkohlesilo. Ob es wohl einmal eine weitere Reinigungsstufe gebe? Nicht zu seiner Zeit, vermutet Müller.

Was nützen alle Pläne, wenn es keine Handwerker gibt, die diese auch bauen? So fragte Reiner Wörz bei seinem Richtspruch. Dann trank der Betonbauer auf dem heißen Dach sein Trinkglas leer und ließ es am Boden zerschellen.

„Alles, was der Baumarkt liefert“

Was sind die Spurenstoffe, die die vierte Reinigungsstufe entfernt? „Als erstes denkt der Bürger an Medikamentenrückstände“, sagte Rainer Hauff, Geschäftsführer des Zweckverbands. Das reicht von der Aspirin-Tablette über Röntgenkontrastmittel bis zu Hormonen aus der Empfängnisverhütung, die bei Fischen zu einem Männchenmangel führt.

Doch es geht auch um „alles, was der Baumarkt liefert“, etwa den pilzhemmenden Anstrich für die Außenfassade, der später vom Regen abgewaschen wird. Hinzu kommen Wasch- und Reinigungsmittel und Kosmetika. „Der Verbraucher erwartet eben, dass das Duschgel bläulich schimmert. Und manche dosieren beim Putzen und Handwerken eben noch immer nach der alten Devise: viel hilft viel“, sagt Rainer Hauff. pd