Egal ob Verkehrsunfall oder medizinischer Notfall: Wer Hilfe braucht und die Notrufnummer 112 wählt, bekommt wenige Minuten später Besuch von einem Rettungswagen.
Eigentlich ist das Normalität. Aber seit gut einem Jahr ist es anders. Seit das Coronavirus „SARS-CoV-2“ den Alltag auf den Kopf gestellt hat, ist für die Rettungsdienste im Kreis kein Einsatz mehr Routine.
„Es besteht immer das Risiko, sich anzustecken“, sagte DRK-Rettungsdienstleiter Michael Wucherer. Er schildert einen Verkehrsunfall in der Anfangszeit der Pandemie, bei dem sich herausgestellt hatte, dass das Unfallopfer Corona-positiv war. Sämtliche Einsatzkräfte vor Ort und die Ersthelfer an der Unfallstelle seien plötzlich Kontaktpersonen gewesen, die in Quarantäne mussten. Inzwischen gehören Masken und andere Schutzausrüstung zur Grundausstattung der Einsatzkräfte. „Ich fühle mich heute nackt, wenn ich ohne Maske in einem Rettungswagen bin“, sagt Wucherer.
Auch habe sich das Vorgehen bei den Einsätzen durch Corona geändert. Sei es früher normal gewesen, bei manchen Einsätzen zu viert oder gar zu sechst zu arbeiten, habe sich heute eine andere Arbeitsweise etabliert. Man versuche, die Zahl möglicher Kontaktpersonen so gering wie möglich zu halten.
Das sei vermutlich der gravierendste Einschnitt in die Arbeit der Retter, sagt Wucherer: „Die Distanz wird die Rettungsdienstarbeit nachhaltig prägen“, ist sich der DRK-Rettungsdienstchef sicher. Man könne nicht von heute auf morgen zur Normalität zurückkehren. Dazu seien die Einschnitte des vergangenen Jahres zu tief. Teams arbeiteten getrennt voneinander, Rettungswagen-Besatzungen machen ihre Pausen mit Abstand, die Mitarbeiter der Leitstelle seien von den Einsatzkräften isoliert. Es sei ein großes Stück der Nähe verloren gegangen, die für diese Berufe so typisch und so wichtig sei. Das sagt auch Wucherers Stellvertreter Christian Knapp, der beim DRK für die Fahrdienste verantwortlich ist. Das berichtet auch Marc Lippe, der Bezirksgeschäftsführer der Malteser. Als Schutzmaßnahme habe man die Teams voneinander getrennt und bei den Maltesern aus Schulungsräumen zusätzliche Pausenräume gemacht.
Putzen kostet viel Zeit
Eine weitere große Belastung für die Arbeit der Rettungskräfte ist die starke Zunahme der Reinigungsarbeiten: Ist es vor Corona üblich gewesen, nach jedem Einsatz die Kontaktflächen im Fahrzeug zu desinfizieren, werde nun aus Infektionsschutzgründen der Rettungswagen nach jedem Einsatz grundgereinigt, schildert Lippe. Eine Stunde dauere die Reinigung - pro Einsatz.
Auch beim DRK-Rettungsdienst wird ein großer Teil der Arbeitszeit mit Putzen verbracht: Seit Corona werden die Fahrzeuge nach jedem Einsatz komplett gereinigt und desinfiziert. „Wir haben mehr Arbeit, obwohl wir im vergangenen Jahr weniger Einsätze hatten“, sagt Knapp. Seit Beginn der Pandemie sei die Zahl der Rettungseinsätze gesunken, ergänzt Wucherer. 30 Prozent weniger Einsätze verzeichnete der kreisweit organisierte Rettungsdienst. Doch die Arbeitsbelastung der Mitarbeiter ist gestiegen. „Wir müssen darauf achten, dass immer ausreichend Schutzausrüstung an Bord ist“, erklärt Knapp. Das ist zurzeit kein Problem mehr. Aber jetzt gelte es, beim geringsten Verdacht auf eine Covid-19-Infektion eine komplette Schutzmontur anzulegen. Es habe auch schon vor Corona Fahrten mit infektiösen Patienten gegeben. Aber seit der Pandemie sei das die Regel, sobald ein Patient Symptome wie Husten oder Fieber habe. Die Arbeit mit Maske und Einmal-Schutzkleidung sei ungleich anstrengender, gibt Wucherer zu bedenken.
Inzwischen ist ausreichend Schutzausrüstung vorhanden. Das ist in der Hochphase der ersten Corona-Welle anders gewesen. Damals sei der Preis für FFP2-Masken von rund 40 Cent pro Stück auf 13 Euro gestiegen. Die Wucherpreise hielten zwar nicht lang, aber die Kosten für Handschuhe, Masken und Kittel blieben hoch - weil viel mehr benötigt wurden als unter Normalbedingungen. „Wir hatten letztes Jahr 330 000 Euro Mehrkosten für Schutzausrüstung“, sagt Wucherer. Für die Rettungsdienste, die keine Gewinne erzielen, ist das eine erhebliche Mehrbelastung. Diese Summe ist auch in dem Budget, das den Diensten von den Krankenversicherern zur Verfügung gestellt wird, nicht enthalten. „Wir wissen noch nicht, ob und wie wir diese Mehrkosten erstattet bekommen“, so der DRK-Rettungsdienstleiter.
Feuerwehr im-Schichtbetrieb
Bei der Nürtinger Feuerwehr habe man sicherstellen müssen, dass die Einsatzfähigkeit auch im Falle einer Infektion oder Quarantäne gewährleistet bleibt, berichtet der Kommandant der Abteilung Stadtmitte Florian Henzler. Deshalb seien die Löschzüge komplett neu aufgestellt worden. Im 24-Stunden-Schichtbetrieb hätten drei Einsatzgruppen sich abgewechselt - eine Durchmischung durfte nicht stattfinden. Selbst bei größeren Einsätzen wurden eine Abteilung der Teilorte alarmiert, damit die Abteilung Stadtmitte einsatzfähig blieb. „Das haben wir erst vergangenen Sommer wieder etwas gelockert“, sagt Henzler.
Der Übungsbetrieb wurde dagegen praktisch eingestellt. Auch die bei den ehrenamtlichen Helfern so wichtige Kameradschaftspflege gab es nicht. Besonders hart habe das die Jugendfeuerwehr getroffen. „Wir wissen noch nicht, welche Auswirkungen das langfristig auf unsere Nachwuchsarbeit hat“, erklärt Henzler. Denn auch die Übernahmen in die aktive Wehr ist 2020 praktisch ausgefallen.
Wenn sich die Corona-Lage wieder entspannt, wolle man langsam wieder zu einem Übungsbetrieb zurückkehren - zurzeit online, später dann in Kleingruppen mit bis zu zehn Teilnehmern.