Zwischen Neckar und Alb

Wenn das Leben in der Krise steckt

Hilfe Der Arbeitskreis Leben engagiert sich seit über 35 Jahren für Menschen in Notlagen.

Wenn Erinnerungen an das Unvorstellbare wieder aufflackern:  Etwa die Hälfte aller Flüchtling in Deutschland leidet unter Trauma
Symbolfoto: Carsten Riedl

Nürtingen/Kirchheim. Die Nachfrage nach Krisenhilfe bleibt hoch, stellt der Arbeitskreis Leben Nürtingen-Kirchheim (AKL) in seinem Jahresbericht 2017 fest. Fast 500 Menschen nahmen im vergangenen Jahr Kontakt mit dem AKL auf, 379 der Anfragen mündeten in Beratung oder Begleitung. Der AKL werde als niederschwelliges Hilfsangebot und als Ergänzung der sozialpsychiatrischen Angebote unbedingt gebraucht, betont Geschäftsführerin Ursula Strunk. Sie ist froh, dass der AKL einen hohen Bekanntheitsgrad habe. Betroffene und Angehörige fänden leicht den Zugang zu Beratung und Begleitung.

Der AKL engagiert sich seit über 35 Jahren für Menschen in Lebenskrisen und bei Selbsttötungsgefahr, ebenso für deren Angehörige und andere im Umfeld. Ziel ist es, mit Betroffenen eine Perspektive zu entwickeln und sie zurück in einen selbstbestimmten Alltag zu begleiten. Die Angebote umfassen Einzelberatungen, Krisenbegleitung, Fachberatung, Präventionsseminare, Selbsthilfegruppen und den offenen AKL-Treff. Um der Nachfrage qualitativ und zahlenmäßig gerecht zu werden, startete der AKL im Herbst 2017 eine Qualifizierung für Krisenbegleiter.

Mit dem Projekt „Verrückt? Na und! - Seelisch fit in Schule und Ausbildung“ ist der AKL an Schulen im Kreis Esslingen aktiv. Das Projekt richtet sich an Jugendliche ab Jahrgangsstufe neun. Seit 2016 steht es unter der Schirmherrschaft des badenwürttembergischen Sozialministers Manne Lucha. Die jungen Menschen werden über psychische Erkrankung und Gesundheit aufgeklärt und darüber, was sie selbst für sich tun können, wenn es im Leben eben mal nicht rund läuft. „An manchen Schulen bieten wir unser Projekt jedes Jahr an“, berichtet Diplompädagogin Gabriele Alberth, die Ansprechpartnerin für das Schulprojekt.

Immer noch Tabuthema

Ein Problem bleibe die Tabuisierung des Themas psychische Erkrankung: „Auch einige Schulleiter haben Bedenken, das Projekt an ihre Schule zu holen. Aber eine psychische Erkrankung wird nicht dadurch abgewendet, dass man nicht darüber redet“, betont Alberth. „Andere Themen der Präventionsarbeit, zum Beispiel bei Drogen, sind längst anerkannt.“ Der AKL hofft hier auf mehr Offenheit gegenüber dem Thema und dem Projekt.

Die Beratung von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Feldern der sozialen Arbeit hat zugenommen. Der AKL baut auf regelmäßige Kooperationstreffen und den Austausch mit anderen Fachkräften. Bei Fachanfragen geht es in den meisten Fällen um Unterstützung bei der Einschätzung einer Gefährdung und eventuell notwendiger Interventionen.

Eine nachhaltige Finanzierung des AKL ist nicht absehbar. Immerhin war der Haushalt 2017 nach mehreren Jahren mit Defiziten ausgeglichen. „Die Nachhaltigkeit unserer Hilfsangebote bedingt Kosten. Unsere Personalkosten, die fast 75 Prozent unseres Budgets ausmachen, steigen jährlich, und das bei gleichbleibender Personalausstattung“, sagt die Geschäftsführerin. Der AKL sei dankbar für Spenden. Für eine langfristige Sicherung der Angebote wünscht sie sich aber mehr öffentliche Gelder beziehungsweise einen nachhaltigen Partner. „Obwohl so viele Menschen mit den Themen Krise, Depression, psychische Erkrankung und auch Suizidalität immer wieder konfrontiert sind, spüren wir in unserer täglichen Arbeit immer noch das Stigma, das mit diesen Themen verbunden ist. Besonders Unternehmen tun sich schwer damit, sich offen für diese gesellschaftlich wichtigen Themen einzusetzen“, bedauert Strunk.

Der seit Jahren wachsenden Nachfrage nachzukommen, sei nur mit dem Engagement der vielen ehrenamtlichen Helfer und der hohen Einsatzbereitschaft der Hauptamtlichen möglich. Im hauptamtlichen Team sind drei Fachkräfte aus der Sozialarbeit, Pädagogik und Psychologie und eine Verwaltungskraft tätig. Dazu sind mehr als 30 Krisenbegleiter aktiv.ez