Zwischen Neckar und Alb

„Wer 112 ruft, kriegt schnell Hilfe“

Interview Ausreichend Nachwuchs, bessere Ausstattung und gut geschulte Einsatzkräfte: Esslingens Kreisbrandmeister Bernhard Dittrich sieht die Feuerwehren gut aufgestellt. Von Harald Flößer

Kreisbrandmeister Dittrich ist zufrieden mit der Ausrüstung der Einsatzkräfte: So werde der Fahrzeugbestand stets verbessert. Sy
Kreisbrandmeister Dittrich ist zufrieden mit der Ausrüstung der Einsatzkräfte: So werde der Fahrzeugbestand stets verbessert. Symbolfoto: Markus Brändli

Auf die Feuerwehren im Landkreis ist Verlass. Ob für das Löschen von Bränden, technische Hilfeleistungen oder für die Bergung von Mensch und Tier - inklusive der Werksfeuerwehren sind etwa 4000 Männer und Frauen rund um die Uhr einsatzbereit. Passen dafür die Strukturen? Wo gibt es Korrekturbedarf? Wie sind die Feuerwehren ausgestattet? Bernhard Dittrich, der seit 17 Jahren das Amt des Kreisbrandmeisters inne hat, äußert sich dazu. Der 58-Jährige ist zugleich Leiter des Amts für Katastrophenschutz und Feuerlöschwesen im Landratsamt Esslingen.

Man hört keine Klagen. Ist alles im Lot bei den Feuerwehren im Kreis?

Bernhard Dittrich: Die Feuerwehren sind momentan gut aufgestellt. Die Zahl der Einsatzkräfte hat deutlich zugenommen, auch bei den Jugendfeuerwehren. Sukzessive werden Feuerwehrhäuser aufgerüstet und auch der Fahrzeugbestand wird Zug um Zug verbessert.

Wie steht es um die Ausstattung der Feuerwehren?

Dittrich: Die Ausstattung ist gut. Seit Anfang der 90er-Jahre hat es beispielsweise bei der Schutzkleidung deutliche Verbesserungen gegeben. Wir investieren auch als Landkreis deutlich mehr Zeit für die Ausbildung. Die Inhalte der Ausbildung wurden ebenfalls verbessert. Auf Landkreis-Ebene haben wir über 1200 Lehrgänge pro Jahr. Das heißt, jeder dritte Feuerwehrangehörige nimmt an einer Ausbildung teil.

Die Steuerquellen sprudeln, da dürfte das Land bei Zuschüssen nicht zu knausrig sein. Oder?

In den vergangenen Jahren gab es da etwas Probleme. Da waren die Förderquoten ein bisschen niedriger. Die Finanzierung der Feuerwehren in Baden-Württemberg erfolgt ausschließlich über die Feuerschutzsteuer aus der Gebäudebrandversicherung. Diese wird nach einem festen Schlüssel auf die Bundesländer verteilt. Allerdings wird daraus auch die Landesfeuerwehrschule finanziert. Richtig ist, dass wir heute eine höhere Förderquote haben als in den letzten Jahren.

Wie ist es um Nachwuchs bestellt?

Unsere Feuerwehren machen eine hervorragende Jugendarbeit. Als ich vor 17 Jahren angefangen habe, gab es noch eine Handvoll Feuerwehren, die keine Jugendgruppe hatte. Seit 2006 ist in jeder Kommune eine Jugendfeuerwehr vorhanden, zum Teil sogar mehrere Abteilungen. Auch die Kindergruppen nehmen zu. Da sind wir auch schon im zweistelligen Bereich. Ab dem schulpflichtigen Alter können sich die Kinder bereits in der Feuerwehr engagieren. Da ist es wichtig, dass man eine erzieherische Arbeit leistet und noch nicht zu sehr den Fokus auf die spätere Feuerwehrarbeit richtet.

Die Feuerwehr ist nach wie vor männerdominiert. Oder gibt es in den Ortswehren andere Entwicklungen?

Ja, der Frauenanteil wächst langsam. Das passiert hauptsächlich über die Jugendarbeit. Wo sich Mädchen und junge Frauen engagieren, nimmt später auch die Zahl der weiblichen Einsatzkräfte zu. Da haben wir natürlich noch deutlich Luft nach oben. Aber wir liegen über dem Landesdurchschnitt.

An strukturelle Veränderungen, sprich Zusammenlegung von Abteilungen, trauen sich kein Bürgermeister oder Gemeinderat recht heran. Wo gibt es Handlungsbedarf?

Formell sind die Kommunen selbst für die Leistungsfähigkeit ihrer Feuerwehren verantwortlich. Wir haben gerade in den ländlich geprägten Bereichen manchmal das Problem, dass wenige Arbeitsplätze am Ort sind und damit die Verfügbarkeit der Einsatzkräfte zu gering ist. Dem kann entgegengewirkt werden durch Kooperation mit Nachbarfeuerwehren. Aber es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es mal zur Schließung von Abteilungen kommt, wenn die Leistungsfähigkeit nicht gegeben ist, sprich, die Anzahl der Feuerwehrleute nicht ausreicht oder auch kein Platz für ein neues Feuerwehrfahrzeug da ist.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Unter meinem Vorgänger wurden in Lichtenwald zwei Abteilungen zusammengeschlossen, weitgehend in der Mitte der Gemeinde. Dieser Standort hat sich bewährt, weil man dann mit hoher Wahrscheinlichkeit immerhin die Mindestbesetzung eines Fahrzeugs sicherstellen kann. Wenn dann Ereignisse auftreten, die tagsüber nicht alleine gemeistert werden können, kommen eben die Nachbarn aus Reichenbach dazu. Die Kooperationen nehmen zu. Und mit der Aufforderung an die Städte und Gemeinden, Bedarfspläne aufzustellen, hat man auch verstärkt einen Fokus darauf gelegt, wie sich die Qualität der Feuerwehr entwickelt. Wie sieht es aus mit dem Altersdurchschnitt und dem Ausbildungsstand? Gibt es nachkommendes Personal? Da sind wir auf einem guten Weg. Die Zusammenarbeit hat sich in den vergangenen 15 Jahren deutlich verbessert.

Bernhard Dittrich lobt die Jugendarbeit.Foto: Roberto Bulgrin
Bernhard Dittrich lobt die Jugendarbeit. Foto: Roberto Bulgrin

Viele Kommunen ächzen, weil neue Brandschutzbestimmungen millionenteure Investitionen verlangen. Sind wir da zu pingelig? Zu deutsch?

Das glaube ich nicht. Wir haben gute Standards festgelegt. Aus Sicht des vorbeugenden Brandschutzes werden wir nur beteiligt, wenn es Ausnahmen, Befreiungen und Erleichterungen gibt. Drastische Verschärfungen beim Brandschutz konnte ich in den vergangenen Jahren nicht feststellen. Im Gegenteil, man denkt jetzt darüber nach, Erleichterungen zu schaffen für den Holzbau, um eine innerstädtische Verdichtung zu erreichen. Man muss schauen, vielleicht ist in der Vergangenheit mit der Sicherheit etwas flapsig umgegangen worden, in der Hoffnung, es wird schon nichts passieren. Jahrzehnte später tauchen dann Veränderungen auf oder es werden bei Nutzungsänderungen aufgrund gesetzlicher Vorgaben erhöhte Anforderungen gestellt. Da darf man sich nicht beschweren, dass diese verschärften Anforderungen zum Schutz der Nutzer angewendet werden müssen.

Was hat die Rauchwarnmelder-Pflicht bisher gebracht?

Sehr viel. Die Zahl der Verletzten und der Toten geht weiter zurück. Den höchsten Stand hatten wir in den 90er-Jahren. Durch das frühe Eintreffen der Feuerwehr und durch die frühe Warnung der Bewohner werden die Brände schneller entdeckt. Personen- und Sachschäden werden weiter abnehmen.

Passt denn bei der Vielzahl von technischen Hilfeleistungen der Begriff Feuerwehr überhaupt noch?

Die Feuerwehr ist traditionsorientiert. In den Niederlanden heißt sie Brandwehr. Tatsächlich löschen wir Brände und keine Feuer. Aus meiner Erfahrung lässt sich sagen, dass rund 60 Prozent der Einsätze technische Hilfeleistungen sind. Man könnte vielleicht einen anderen Begriff prägen: Technische Hilfeleistung, Brandbekämpfung und Umweltwehr. Aus Traditionsgründen kann man aber den Namen Feuerwehr beibehalten. Jeder weiß: Wer 112 ruft, kriegt schnell adäquate Hilfe.

Ein zunehmendes Problem ist die Behinderung von Rettungsdiensten. Ist das auch bei den Einsätzen der Feuerwehr zu beobachten?

Es kommt zum Teil zu verbalen Angriffen. Tätlichkeiten hat es bei den Freiwilligen Feuerwehren noch nicht gegeben. Mir wurde aber von der Werkfeuerwehr des Flughafens berichtet, dass dort Feuerwehrkräfte angegriffen worden sind. Man kann schon eine Verrohung der Gesellschaft feststellen. Das muss man sehr kritisch beäugen. Es sind ja auch Gesetze verschärft worden, um dem Nachdruck zu verleihen und die Einsatzkräfte besser zu schützen. Ich hoffe, dass da für uns nicht zusätzliche Konfliktfelder entstehen.