Zwischen Neckar und Alb
Winfried Kretschmann ist jetzt Ziegen-Pate

Naturschutz Der baden-württembergische Ministerpräsident übernimmt die Patenschaft für 74 Jusi-Ziegen. Das Albvereins-Projekt wurde 2020 mit dem Kulturlandschaftspreis ausgezeichnet. Von Kirsten Oechsner

Die Jusi-Ziegen haben mit Winfried Kretschmann einen neuen großen Fan, und seine Gunst wird ihnen auf längere Zeit erhalten bleiben: Der Ministerpräsident übernahm die Patenschaft für das Projekt der Ziegenbeweidung des Jusi – für Kretschmann einer der schönsten Plätze im Kreis Esslingen. Das Bad unter den Ziegen genoss der 73-Jährige sichtlich, auch wenn die Tiere etwas bockig waren: Den eigens für den Ministerpräsidenten prall gefüllten Eimer mit Salat und Kohlrabi verschmähten die Tiere – dafür genossen sie die Streicheleinheiten des Ministerpräsidenten, der seit 1980 Abgeordneter des Wahlkreises Nürtingen ist, in vollen Zügen.

Die Gäste fühlten sich rundum wohl in dem Streichelzoo-Ambiente. 2010 starteten die Mitglieder der Ortsgruppe Kohlberg-Kappishäusern des Schwäbischen Albvereins mit der Ziegenbeweidung am Jusi, die sich längst zum landesweit beachteten Vorzeigeprojekt entwickelt hat. Vergangenes Jahr wurde die SAV-Ortsgruppe mit dem baden-württembergischen Kulturlandschaftspreis ausgezeichnet und war unter den zehn Preisträgern des alle zwei Jahre ausgelobten Ehrenamtspreises. Die übliche festliche Preisverleihung fiel 2020 zwar wegen Corona aus, aber das Patenprinzip blieb erhalten: Kretschmann hatte sich für die Jusi-Ziegen entschieden und seine Wertschätzung für die bürgerschaftlich engagierten Ziegenhalter mit einem Besuch zum Ausdruck gebracht.

„Papa Mäh“, wie Stefan Tremmel, Vorsitzender der Ortsgruppe Kohlberg-Kappishäusern, in Anlehnung an den Kinderbuch-Klassiker „Mama Muh“ genannt wird, war beim Empfang am Alten Sportplatz sichtlich gerührt von Kretschmanns Interesse: „Das ist ein so tolles Erlebnis, und wir fühlen uns sehr geehrt“, meinte er. Denn leicht sei der Weg bis zur Ziegenbeweidung nicht gewesen. Zunächst galt es, die Kritiker im eigenen Verein zu überzeugen. Die Vereinsmitglieder zogen letztlich mit, heute kann sich keiner ein Vereinsleben ohne die Ziegen vorstellen. Mehr noch: Das Projekt sorgte für einen Anstieg der Mitgliederzahlen, ganze Familien engagieren sich in der Ortsgruppe.

Kretschmann kritisiert Bürokratie

Ungern erinnert sich Tremmel indes an den Zwist mit dem Landratsamt Esslingen zurück, ein geplanter Stall wurde nicht genehmigt. In der Stadt Metzingen fand das Projekt jedoch Fürsprecher, das Landratsamt Reutlingen genehmigte den Stall, der sich am Florian befindet. Längst sei der Landkreis Esslingen, so Tremmel, „nicht mehr so bockig“ und unterstützte die Ziegenbeweidung: „Danke, dass sie sich so verändert haben“, meinte er mit Blick auf die Erste Landesbeamtin Marion Leuze-Mohr, die den Sinneswandel bekräftigte.

Doch der Ministerpräsident zeigte sich wenig amüsiert: „Das sind Geschichten, die mir so nicht gefallen.“ Klar: Schutzvorschriften müssten sein. Aber, so der Ministerpräsident: „Ich rege mich jeden Tag darüber auf, wie überbürokratisiert wir sind.“ Die vom Albverein gewünschte Hütte am Jusi werde kommen, meinte er, und die Erste Landesbeamtin Leuze-Mohr sicherte eines zu: „Ich werde mich kümmern.“

Im elften Jahr weiden nun die Ziegen auf dem Jusi, das Ziel ist erreicht: Der Hausberg von Kohlberg und Kappishäusern ist längst nicht mehr so verbuscht, die Tiere haben ganze Arbeit geleistet beim Erhalt des landschaftsprägenden Charakters des Jusi. Der Ministerpräsident zollte den Albvereinlern großen Respekt für ihr Engagement: „Das ist eine super Sache“, vom bürgerschaftlichen Engagement lebe das ganze Land. Besonders lobenswert fand er, dass sich am Projekt auch junge Menschen beteiligen würden.

74

Ziegen gehören zu der Herde der Albvereins-Ortsgruppe Kohlberg-Kappishäusern.