Zwischen Neckar und Alb

Wohnkosten in der Region explodierenDer Landkreis wächst

Wohnen Die Mietpreise in Esslingen und anderen Orten des Landkreises steigen kontinuierlich und gehören zu den höchsten in ganz Deutschland. Dennoch hält nicht jeder die Idee eines Mietdeckels für gut. Von Greta Gramberg

Ein Problem, das seit einigen Jahren für viele Menschen immer drängender wird, wird derzeit so heiß diskutiert, wie selten: steigende Mieten und Wohnkosten. Und die vorgeschlagenen Lösungen sind so mutig und umstritten, wie seit langem nicht: Der Berliner Senat hat ein Gesetz für einen Mietpreisdeckel auf den Weg gebracht und Bürger der Bundeshauptstadt wollen per Volksentscheid erreichen, dass Immobilien von Großvermietern verstaatlicht werden. Dabei gehört Berlin nicht mal zu den 20 teuersten Städten Deutschlands.

Anders sieht es da in der Region aus: Neben Stuttgart auf Rang drei (durchschnittlich 9,96 Euro Miete pro Quadratmeter), rangieren Esslingen auf Platz 13 (8,58) und Leinfelden-Echterdingen gar auf Platz zwei (9,96) im nationalen Mietspiegel hinter Spitzenreiter München. Auch der Anstieg der Mieten in den vergangenen Jahren ist in den genannten Städten besonders hoch.

Fragt man die verschiedenen Interessenvertreter im Kreis Esslingen, sind auch sie der Meinung, dass dringend Abhilfe geschaffen werden muss, um die Wohnkosten zu senken. Die Lösungsvorschläge gehen aber auseinander. „Instrumente wie die Mietpreisbremse führen nicht zum Erfolg“, sagt Stefan Beck, Geschäftsführer bei Haus und Grund Esslingen. Trotz deren Einführung in einigen deutschen Städten seien die Kosten gestiegen. Einen Mietpreisdeckel bezeichnet er gar als „verheerend“: „Das würde sämtliche Investitionen zum Erliegen bringen“, meint Beck. Bautätigkeit geschähe dann nur noch zur Eigennutzung. Der Vertreter des Immobilieneigentümervereins hält hohe Mieten zudem nicht per se für ungerechtfertigt: Schließlich seien sie eine Art Zins an den Vermieter für eine Investition. Dafür sei der Vermieter in der Verpflichtung, die Wohnung instand zu halten. Beck zufolge würden zudem insbesondere die privaten Vermieter zu mehr als 60 Prozent die Miete in laufenden Verträgen nicht erhöhen. Natürlich gebe es schwarze Schafe, die versuchten, das Maximale rauszuholen. „Das ist aber nicht unsere Empfehlung an die Mitglieder, das führt schließlich auch nicht zu langfristigen Mietverhältnissen.“

Bei Neubauten sieht er die Baukosten als Preistreiber: „Heute kann man eine Neubauwohnung unter zwölf Euro pro Quadratmeter nicht mehr vermieten, sonst macht man ein Verlustgeschäft.“ Kosten senken würde ihm zufolge etwa eine geringere Grundsteuer, aber auch eine Vereinfachung der Bauvorschriften. Überhaupt, da ist der Haus-und-Grund-Geschäftsführer sich mit Mietern und Kommunen einig, müsse mehr gebaut werden: „Hauptursache für steigende Mieten ist der Mangel an Wohnraum“, sagt Beck. „Das hat etwas zu tun mit Angebot und Nachfrage.“ Neue Baugebiete müssten ausgewiesen, nachverdichtet werden.

Es müsse zweifellos mehr gebaut werden, und zwar die richtigen Wohnungen an der richtigen Stelle, sagt auch Udo Casper, Vorsitzender des Deutschen Mieterbunds Esslingen-Göppingen. „Das wird aber nicht von jetzt auf nachher gelingen“, gibt er zu bedenken. Deswegen bedürfe es bis dahin Maßnahmen, damit Wohnen nicht unbezahlbar werde. „Es ist kein entweder-oder.“ Dabei sieht Capser nicht nur eine Lösung, um Herr des Problems zu werden. Er hofft, dass die Mietpreisbremse durch eine Anpassung der Verordnung im Land, die mutmaßlich 2020 kommt, endlich wirkt - und auch für Städte wie Esslingen, Ostfildern oder Kirchheim gilt, wo der Wohnungsmarkt ebenfalls extrem angespannt sei.

Ob die Berliner Ideen tatsächlich auch im Kreis Esslingen anwendbar wären und eine Verbesserung bringen würden, sei schwer zu bewerten. Doch sie zu prüfen, hält Casper für angebracht: Mietendeckel und Vergesellschaftung sollten nicht einfach als „sozialistische Zwangsmaßnahmen“ verworfen werden.

Bis 2035 geht der Verband Region Stuttgart davon aus, dass die Bevölkerung im Kreis Esslingen aus sich selbst heraus um etwa 15 000 Köpfe wächst und außerdem 43 000 Menschen von auswärts dazukommen, weil sie hier Arbeit finden. Die Prognosen basieren auf Daten des Statistischen Landesamts, als Ausgangspunkt dient das Jahr 2016.gg