Zwischen Neckar und Alb

Würdevoller Abschied?

Beerdigung Angehörige können sich nicht mehr richtig verabschieden. Bestatter sind im Dauereinsatz und müssen in Schutzkleidung zu den Verstorbenen. Von Thomas Krytzner

In Ganzkörperanzügen müssen die Bestatter zu den Verstorbenen. Zu groß ist das Ansteckungsrisiko.Foto: Thomas Krytzner
In Ganzkörperanzügen müssen die Bestatter zu den Verstorbenen. Zu groß ist das Ansteckungsrisiko. Foto: Thomas Krytzner

Wenn ein Angehöriger stirbt, beginnt die Trauerzeit meist mit der Beisetzung auf dem Friedhof. Mit dem endgültigen Abschied geht jeder ein wenig anders um. Doch das Coronavirus greift auch in die Trauerbewältigung ein: Vielen bleibt der Abschied beim letzten Gang verwehrt. Die Bestatter im Umkreis sind gefordert, damit Trauerfeiern trotz der Einschränkungen würdig und pietätvoll ablaufen.

Bestatter und Geschäftsführer Johan Homburg, der eng mit dem Bestattungshaus Riempp in Neckarhausen zusammenarbeitet, ist seit Beginn der Coronakrise ein gefragter Mann in Baden-Württemberg: Er ist der stellvertretende Einsatzleiter der Notfallteams der Bestatterinnung im Land. Als das Coronavirus zum ersten Mal in Deutschland bei einem Patienten festgestellt wurde, schrillten bei Johan Homburg die Alarmglocken. „Wir setzten uns im Notfallteam umgehend mit der Landesregierung und der Polizei in Baden-Württemberg in Verbindung.“ Durch die stete Zusammenarbeit mit den Behörden konnte die Innung erreichen, dass die Bestattungsunternehmen als systemrelevante Firmen eingestuft wurden. Ebenso konnte das Notfallteam umgehend alle Bestatter im Land informieren. „In Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut lieferten wir rasch eine solide Videounterweisung an die Berufskollegen im Land, wie gemäß Verordnung mit infektiösen Körpern umgegangen werden soll“, erklärt Homburg. Dies kam bei allen gut an, bestätigt der Bestatter aus Neckarhausen, vor allem weil die materiellen Ressourcen relativ schnell knapp wurden. „Wir haben unter den Bestattern ein eigenes Netzwerk gegründet, um Schutzkleider und flächendeckende Mittel der „Schutzstufe Drei“ selbst zu besorgen.

Johan Homburg plagen im Blick auf die rasche Ausbreitung der Pandemie Sorgen: „Zum einen gibt es kaum noch Sarghersteller im Land und zum anderen sind die Plätze in den Krematorien beschränkt.“ Dass das Robert-Koch-Institut derzeit Feuerbestattungen empfiehlt, die Art der Bestattung jedoch trotz Corona frei wählbar ist, hat auf die Beisetzungen in Baden-Württemberg kaum Einfluss, wie Johan Homburg feststellt. Die Landesinnung der Bestatter in Baden-Württemberg will daher Lösungen finden. „Wir führen tägliche Telefonkonferenzen mit den Entscheidungsträgern.“

Jetzt, mit der Pandemie, trifft es die Bestatter hart: „Die Unternehmen kämpfen ums Überleben in dieser Krise und müssen die Betriebsstrukturen anpassen.“ Der Notstand für die Bestatter ist im Grunde ein Widerspruch in sich. „Da nicht nur die Tröpfcheninfektion zum Risiko wird, sondern vermutlich auch die Schmierinfektion mussten die Hygienemaßnahmen in allen Bestattungsunternehmen hochgefahren werden“, erklärt Homburg den erhöhten Aufwand. Auch das finanzielle Risiko begleitet die Bestatter in der Krise: „Der Aufwand in der Administration ist riesig und die Gefahr, dass Rechnungen im Nachhinein nicht bezahlt werden, ist groß.“ Johan Homburg wünscht sich, dass die Arbeit der Bestatter, gerade jetzt während der Pandemie, mehr Anerkennung in der Bevölkerung fände.

Von der Corona-Krise völlig überfahren wurden die Bestatter aus Wendlingen, Rolf Heilemann und sein Sohn Thomas Heilemann, Bestattungsfachkraft. „Die Anordnungen und Verfügungen prallten von allen Seiten auf uns ein. Regierungspräsidium, Ordnungsamt und Bürgermeister gaben sich buchstäblich die Klinke in die hoffentlich geschützte Hand.“ Die Beschränkung infolge der angeordneten Kontaktsperre stellten Rolf und Thomas Heilemann vor unerwartete Schwierigkeiten. „Wir mussten von jetzt auf nachher improvisieren. Da die Trauergemeinde im Freien stehen muss, erhöhte sich unser Aufwand, um die Feiern würdevoll zu gestalten.“ So mussten die Trauerbegleiter Rednerpulte geschickt aufstellen, eine Lautsprecheranlage organisieren und es braucht Sitzmöglichkeiten im Freien für ältere Leute.

In voller Montur

Immer wieder versuchen die Bestatter Urnenbeisetzungen zu verschieben, „aber die Hinterbliebenen wollen abschließen, weil sie sonst nicht mit der Trauer beginnen können“, berichtet Ralf Heilemann von bisherigen Erfahrungen seit der verfügten Einschränkungen. Nachdenklich ergänzt Thomas Heilemann: „Diese zum Teil einsamen Feiern sind doch unwürdig.“ Die Bestatter müssen jetzt mit deutlich erhöhten Schutzmaßnahmen an die Verstorbenen herantreten. „Ganzkörperanzüge, Schutzhandschuhe, Mund- und Nasenschutz sind jetzt immer dabei.“ Da auf dem normalen Markt aber kaum Schutzkleidung verfügbar ist, greifen Rolf und Thomas Heilemann auf die Bieterplattform im Internet zurück. Auf die thanatologische Behandlung , die hygienische und ästhetische Versorgung bei Verstorbenen, verzichtet das Unternehmen derzeit. „Das Ansteckungsrisiko ist einfach zu groß, zudem rät auch das Robert-Koch-Institut davon ab.“ Thomas Heilemann weist darauf hin, dass Gärtnereien trotz der Allgemeinverfügung Blumen anbieten und liefern können. „Die meisten stellen ihre Pflanzen nach draußen und Kunden suchen sich aus, was gefällt und legen das Geld in die bereitgestellte Kasse.“