Zwischen Neckar und Alb

Wunder-Wurzel und Krankheits-Killer

Ernährung Ingwer ist die Heilpflanze des Jahres. Das scharfe Multitalent ist medizinisch vielseitig nutzbar. Das weiß auch Christian Kurz aus Esslingen, der regelmäßig mit der Knolle hantiert. Von Dagmar Weinberg

Er traut dem Ingwer viel zu: Christian Kurz war Vorsitzender des Naturheilvereins Esslingen und Umgebung.  Foto: Roberto Bulgrin
Er traut dem Ingwer viel zu: Christian Kurz war Vorsitzender des Naturheilvereins Esslingen und Umgebung. Foto: Roberto Bulgrin

Asiatischen Gerichten gibt er Würze. Doch Ingwer kommt nicht nur in der Küche zum Einsatz. In seiner Heimat Asien weiß man seit Jahrtausenden um die heilende Wirkung des Wurzelstocks. Jetzt hat der Naturheilverein Theophrastus mit Sitz in München den Ingwer zur Heilpflanze des Jahres gekürt.

Christian Kurz züchtet viele Heilpflanzen und Kräuter selbst. Und immer mal wieder experimentiert er mit Pflanzen, deren Heimat eigentlich in Afrika oder Asien ist. An den Anbau von Ingwer hat er sich aber noch nicht herangewagt. „Ingwer, der vor allem in Asien angebaut wird, benötigt eine hohe Luftfeuchtigkeit“, weiß er. „Vor allem muss die Temperatur relativ konstant sein.“ Und dieses Klima kann man der schilfartigen Staude mit ihren rot-gelblichen, orchideenartigen Blüten im Neckartal einfach nicht bieten. „Da bräuchte man schon ein Gewächshaus.“

Dennoch gehört Zingiber officinale, so der wissenschaftliche Name des Ingwers, seit vielen Jahren zu den Heilpflanzen, die Kurz regelmäßig verwendet. Vor allem wenn’s draußen kühl und feucht ist, hat der Esslinger, der viele Jahre Vorsitzender des Naturheilvereins Esslingen und Umgebung war, immer einen Vorrat des Wurzelstocks im Haus. „Da Ingwer ziemlich scharf ist, regt er die Durchblutung an, bringt den Kreislauf in Schwung und durchwärmt den Körper sehr angenehm.“ Zudem stärkt die Heilpflanze das Immunsystem. Um Erkältungen vorzubeugen, brüht Christian Kurz regelmäßig einen Ingwertee auf. Dazu schneidet er ungeschälten Bio-Ingwer in feine Scheiben, überbrüht ihn mit heißem Wasser und lässt den Tee, am besten abgedeckt, rund zehn Minuten ziehen. „Wenn einem das zu scharf ist, kann man einen Spritzer Zitrone oder einen Löffel Honig zugeben“, rät er. Hat man sich bereits einen Infekt eingefangen, können die Wirkstoffe der Ingwer-Rhizome die Symptome lindern und die Heilung beschleunigen.

Die asiatische Gewürzpflanze, die in feuchten Böden im Halbschatten gedeiht, wärmt nicht nur den Körper. Ingwer lindert auch Entzündungen und Schmerzen. „Der Hauptwirkstoff des Ingwers ist das Gingerol, das ein starkes Antioxidans ist. Es fängt auch sogenannte freie Radikale, die zum Beispiel am Rheuma beteiligt sind“, erklärt Christian Kurz, der selbst gemachtes Ingweröl bei Gelenkschmerzen anwendet und viele weitere Ingwer-Rezepte kennt - etwa den Yogi-Tee, „ein Hochgenuss an kalten Wintertagen“.

Von ihrer chemischen Struktur und ihrer Wirkungsweise „sind die Gingerole mit Aspirin verwandt und helfen somit bei Gliederschmerzen“, weiß der Naturheilkundler, der sich auch mit der Geschichte des Ingwers beschäftigt hat. Schon der chinesische Kaiser Shennong, der als „Vater der Pflanzenheilkunde“ gilt, soll um 2800 vor Christus den Ingwer als kräftigend erwähnt haben. „Auch in der ältesten Medizin der Welt, dem indischen Ayurveda und der traditionellen chinesischen Medizin gehört Ingwer zu den wichtigsten Heilmitteln.“ Vom chinesischen Philosophen Konfuzius ist überliefert, dass er seine Mahlzeiten nie ohne Ingwer zu sich nahm. „Sie regen den Bauch milde an und sind gut für den Magen“, schrieb der griechische Arzt Dioskurides über die fernöstlichen Wurzelstöcke, in denen bis zu drei Prozent ätherische Öle enthalten sind.

Durch seine antiseptischen Wirkstoffe, die sowohl Viren als auch Bakterien und Pilze bekämpfen, „hilft Ingwer bei Infektionen des Magen-Darm-Trakts und wirkt bei einem nervösen Magen unterstützend“, erläutert Christian Kurz. Man sollte Speisen einfach regelmäßig mit frisch geriebenem Ingwer würzen. „Aber nicht mitkochen, sondern erst kurz vor dem Verzehr zugeben“, rät der Experte.

Allerdings tut Ingwer nicht allen gut. „Die Inhaltsstoffe können die Blutgerinnung hemmen.“ Da das scharfe Multitalent die Produktion von Magensäure anregt, wird Patienten mit Gallensteinen zur Vorsicht geraten. „Weil Ingwer die Durchblutung fördert, sollte man auch in den letzten drei Schwangerschaftsmonaten darauf verzichten.“

Bei Seeleuten stand der scharfe Wurzelstock früher hoch im Kurs. Denn Ingwer lindert Übelkeit, Erbrechen und Schwindelgefühl und hilft auch gegen Reisekrankheit. „Deshalb haben die Seefahrer ihn früher gekaut“, berichtet Christian Kurz. Wesentlich angenehmer sei die Einnahme einer Ingwer-Tinktur, die man selbst ansetzen kann. Die wirke so gut wie chemische Arzneimittel, „macht aber nicht schläfrig“.

Ingwer-Rezepte zum Nachmachen

Yogi-Tee: Man lässt zwei Teelöffel geriebenen Ingwer, vier Kardamonkapseln, acht Gewürznelken und eine Zimtstange so lange in acht Tassen Wasser köcheln, bis die Hälfte der Flüssigkeit verdampft ist. Dann gibt man eine Tasse Reismehl in die Flüssigkeit und süßt den Tee mit etwas Honig.

Ingwerbad: Ein Zusatz für ein wärmendes und schmerzlinderndes Bad lässt sich aus fünf Esslöffeln frisch geriebener Ingwerwurzel zubereiten, die mit zwei Litern heißem Wasser übergossen wird. Den Sud 15 Minuten ziehen lassen, danach abfiltern und ins Badewasser geben.

Ingwer-Tinktur: Ingwer reiben und ein Glas zu zwei Dritteln damit füllen. Mit 38-prozentigem Alkohol auffüllen und drei Wochen verschlossen ziehen lassen. Täglich zwei bis drei Mal schütteln. Dann drei bis vier Mal täglich 20 bis 25 Tropfen in Wasser gelöst vor der Mahlzeit einnehmen.

Ingweröl: Wer an Gelenkschmerzen leidet, sollte eine frische Ingwerwurzel reiben und den austretenden Saft in einem Mulltuch kräftig auspressen. Ein Teil von diesem Ingwersaft daraufhin mit fünf Teilen Sesamöl mischen und die schmerzenden Stellen mit der Mixtur einreiben.dw