Zwischen Neckar und Alb

Zeugen sahen „verlotterte“ Gestalten in Tatortnähe

Verhandlung Im Prozess um blutigen Streit unter Bandenmitgliedern erzählt ein Angeklagter von seinem Leben.

Symbolbild: Gericht
Symbolbild: Gericht

Plochingen. Zwei Zeugen haben etwas Licht in die Geschehnisse des 13. Februar dieses Jahres gebracht. Wie berichtet, hatte es in Plochingen aufgrund einer blutigen Auseinandersetzung zwischen mehreren Männern einen Polizei-Großeinsatz mit Spezialkräften gegeben. Auch Schüsse fielen. Bereits seit Anfang Oktober müssen sich drei junge Männer vor der 2. Großen Strafkammer des Stuttgarter Landgerichts verantworten. Ihnen wird gemeinschaftlicher versuchter Totschlag beziehungsweise die Anstiftung dazu vorgeworfen.

Zwei der Zeugen, die am Dienstag gehört wurden, arbeiten in einer Zahnarztpraxis in der Nähe des Tatorts. Eine 52-jährige Zeugin schilderte, sie habe an jenem Donnerstag im Februar um 16.20 Uhr zwei junge Männer auf dem Parkplatz der Praxis bemerkt. Sie hätten „verlottert“ ausgesehen. „Es kam mir so vor, als hätten sie sich so positioniert, dass sie beide Einfahrten zum Parkplatz beobachten konnten.“ Sie beschrieb die Männer als dunkel gekleidet und mit Kapuzen auf dem Kopf. Die 52-Jährige habe die beiden fünf bis zehn Minuten beobachtet, bevor sie ein Stockwerk höher gegangen sei. „Als ich wieder kam, haben mir meine Mitarbeiterinnen erzählt, ich hätte richtig was verpasst“, erinnerte sich die Frau.

Ihre Kollegin, eine 22-Jährige, gab zunächst an, sich nicht mehr erinnern zu können. Nachdem die Vorsitzende Richterin dies angezweifelt hatte, berichtete die Zeugin dann doch, was sie am Tattag beobachtet hatte. Auch sie habe die beiden Männer auf dem Parkplatz gesehen. Wenig später habe sie mit einer weiteren Kollegin in einem anderen Raum gearbeitet. Diese habe ihr erzählt, dass ein Mann mit einer Waffe am Fenster vorbeigerannt sei. „Ich habe dann drei Männer gesehen, die zwei anderen hinterhergerannt sind“, so die 22-Jährige. Der vordere der Verfolger habe eine Waffe in der Hand gehabt. Zunächst beschrieb sie die drei Verfolger als dunkel gekleidet, die beiden anderen Männer als „normal angezogen“, mit Jeans und unauffälligen Oberteilen. Ihrer Aussage bei der Polizei sei jedoch zu entnehmen, so hielt ihr die Richterin vor, dass der Mann mit der Waffe unter anderem eine olivgrüne Reißverschlussjacke getragen habe und etwas dicker gewesen sei.

Ob es sich bei den zwei Männern auf dem Parkplatz um die gleichen Männer gehandelt hat, die an der Verfolgung beteiligt waren, konnte keiner der Zeugen beantworten. Einer der Verteidiger stellte daraufhin einen Beweisantrag. Es solle überprüft werden, ob sein Mandant, der zur Tatzeit 21 Jahre alt war, an dem Tag tatsächlich einen schwarzen Kapuzenpullover getragen habe, wie von Zeugen behauptet wird. Sein Mandant war bei der vermeintlichen Vergeltungsaktion unter Bandenmitgliedern durch Messerstiche und einen Durchschuss des rechten Oberschenkels schwer verletzt worden.

Bislang hatte einer der drei Angeklagten, ein 20-Jähriger, geschwiegen, entschloss sich nun aber, aus seinem Leben zu berichten. Er sei ein Kind voll Energie gewesen, so der Angeklagte. Daraus hätten viele Verletzungen resultiert, da er oft gestürzt sei. Nach zwei schwereren Unfällen habe er die siebte Klasse der Realschule wiederholt. Danach habe er ein renitentes Verhalten entwickelt, weshalb er der Schule verwiesen worden sei. Auch von drei anderen Realschulen im Landkreis sei er „geflogen“, ehe er schließlich doch seinen Abschluss geschafft habe. Der Angeklagte sitzt seit Februar in Untersuchungshaft, musste die Lehre unterbrechen. Sein Ausbildungsbetrieb habe ihn jedoch freigestellt, sodass er im Falle seiner Freilassung seine Lehre fortsetzen könne. Der Prozess wird am Montag, 16. November, fortgesetzt. Dann werden weitere Zeugen gehört. Julia Theermann