Zwischen Neckar und Alb

Zeus im Visier der Phaser

Lasertag-Welle hat die Region erreicht: Ein Selbstversuch zwischen Ballerspiel und neuer Taktik-Dimension

Hier wird nicht „geschossen“, sondern „markiert“. Foto: Staufenpress
Hier wird nicht „geschossen“, sondern „markiert“. Foto: Staufenpress

Göppingen. Der Weltraum beginnt im Fabrikhof. Zur Zukunft geht’s in den Keller. Ins Reich von Schwarzlicht und Neonfarben, Nebel und

Licht-Knarren. Auf dem einstigen Südmilch-Areal in Göppingen steige ich hinab in den ehemaligen Club Red Room, der jetzt eine Lasertag-Arena ist. Unten empfangen mich viele gut gelaunte Feierabend-Spieler und Christian Schell. Er ist hier einer der Chefs. Zusammen mit seinen Partnern hat er den 800 Quadratmeter großen, futuristischen Spielplatz gebaut, den sie Arena nennen. Solche Parcours sind ziemlich angesagt.

Vor zwei Jahren hat Lasertag hierzulande kaum jemand gekannt. Dabei ist das Spiel eigentlich uralt. In anderen Ländern flammte der Trend schon in den grellen Neunzigern auf. Das simple Prinzip: Man muss in einem verwinkelten Parcours mit einem Lichtstrahl andere Spieler treffen. Auf Menschen zielen? So martialisch, wie es sich anhört, ist Lasertag nicht, sagt Schell. Er vergleicht es lieber mit „Räuber und Gendarm“. Es wird auch gar nicht mit Laserlicht gezielt, sondern mit harmlosem Infrarot-Licht, wie er stets betont. Das ist das gleiche Prinzip wie bei der heimischen TV-Fernbedienung. Phaser nennen sie das Ding, das nicht Waffe heißen darf. Es werde aber nicht „geschossen“, sondern die Weste der Gegner werde „markiert“, sagt Schell. Das Vokabular ist pazifistentauglich.

Kritiker halten das für Etikettenschwindel. Im Göppinger Gemeinderat hatten sich Lokalpolitiker gegen die Einrichtung ausgesprochen, weil das „Schießen mit Waffen simuliert wird“, meinten sie. Schell hält dem entgegen, es flögen, im Unterschied zu Paintball, keine Geschosse durch den Raum, nur Lichtstrahlen würden eingesetzt. Es gehe um Taktik, Teamgeist und Bewegung.

Zumindest steckt eine ausgeklügelte Technologie hinter dem Freizeit-Spaß. Das wird mir klar, als Schell mir eine der Westen überstreift. 2 000 Euro kostet jede. Die Ausrüstung mit der aufwendigen drahtlosen Übertragungstechnik kommt aus Australien. Für die nächsten 15 Minuten werde ich „Zeus“ sein. Damit bin ich zufrieden. Klingt unbesiegbar.

Die Gruppe, mit der ich spielen werde, besteht zur Hälfte ebenfalls aus blutigen Anfängern. Sie sind schon im Einweisungsraum. Die wichtigsten Regeln: Den Phaser stets mit beiden Händen halten. Nicht rennen, nicht springen, nicht auf die Hindernisse klettern. Ins Schwitzen kommt man auch so. Ein Team hat blau blinkende Westen und Phaser, das andere Team dasselbe in Grün.

Dann geht es hinein in die mit Musik beschallte, abgedunkelte Schwarzlicht-Arena. Eine schnarrende Computerstimme aus meiner Weste – eine Art elektronischer Feldwebel – informiert mich über meinen Status: „Level eins. Rekrut in Team grün.“ Wir spielen im Team-Modus, einer von unzähligen Varianten – von „jeder gegen jeden“ bis „Zombie“, was ungefähr so funktioniert wie früher Völkerball.

Da wir im Team-Modus spielen, muss ich die Blauen erwischen. Der Parcours aus Wänden, Öffnungen und Gängen ist schier endlos und verwirrend. Im Schwarzlicht dieser Cyber-Welt reflektieren nur Umrisse, aber auch die Wand-Graffitos. Die Lichteffekte und der Nebel verwirren die Sinne, dazu diese Laser-Geräusche und die lauten Techno-Töne.

In einigen Metern Entfernung tauchen die ersten Phaserträger aus dem Nebel auf. Aber halt! Das sind ja Karin und Katja aus meinem Team. Phaser runter. Stattdessen vibriert nun meine eigene Weste. Irgend jemand hat mich offenbar getroffen. „Das war’s!“, sagt mein digitaler Feldwebel mitleidlos. Im Lichtgeschwirr nützt es mir nichts, dass ich Zeus bin. Ein ums andere Mal britzelt der Strahl auf mich. „Du bist deaktiviert“, röhrt die Stimme. Dann tut sich einige Sekunden nichts. Doch weil ich mich in der Zwischenzeit nicht verschanzt habe, hat mein Gegenspieler gleich noch mal auf mich angelegt. Ich werde zum Dauerziel. Anfängerfehler.

Aggression empfinde ich nicht, eher Reizüberflutung. Und Angst, dass gleich wieder ein Blauer ums Eck kommt oder mich von irgendwo her erwischt. Sichere Ecken gibt es wohl nicht. Den Parcours hat ein professioneller Arena-Designer gestaltet. Ich bin mit Umschauen, Ducken und Zielen völlig überfordert. Gut, dass ich damals Zivi geworden bin.

Nur selten hat die Elektronik aufmunternde Worte: Angeblich liege ich auf dem dritten Platz, sagt eine Stimme. Ich ahne, dass das nur mit der Strategie zusammenhängen kann, die der Chef mir ans Herz gelegt hat: Nicht nur auf die Kontrahenten anzulegen, auch die unbeweglichen Ziele anzuvisieren, die verteilt in der Arena an der Decke hängen. Das gibt jedes Mal gleich 1 000 Punkte.

So hangele ich mich durch. 15 Minuten reichen vollkommen aus. Einen Großteil der Zeit bin ich deaktiviert, weil getroffen. Dafür bin ich leicht verschwitzt, als der Countdown kommt. Game over. Ende des Adrenalinkicks.

Lasertag-Zielgruppen

Lasertag-Zielgruppen sind Firmen, Vereinsteams, Junggesellen-Abschiede und – Geburtstagsfeiern. Das aber nur über 14  Jahren und bis 16 auch nur mit Unterschrift der Eltern, erklärt Schell. Das Jugendamt hat diese Altersgrenze festgelegt. Dabei achte man bei jungen Spielern besonders darauf, dass sie sich nicht reinsteigern, betont Christian Schell. „Denen erklären wir, dass das hier Spiel und Sport ist – und nicht die Realität. Die holen wir schon wieder runter.“ Die Mindestaltersgrenze ist nicht einheitlich geregelt: Auf der Homepage der Ebersbacher Arena heißt es, es könne jeder spielen, empfohlen sei es ab zwölf Jahren, unter 16  aber nur mit volljähriger Begleitperson.aw