Zwischen Neckar und Alb

Zoll hat Baufirmen im Landkreis im Visier

Gewerkschaft Zahlreiche Firmen sind bei Überprüfungen aufgefallen. Deshalb fordert die IG Bau einen höheren Kontroll-Druck.
Beamtinnen und Beamte des Stuttgarter Zolls haben im ersten Halbjahr 2021 155 Baufirmen in der Region kontrolliert. Foto: pr

Kreis. Das Hauptzollamt Stuttgart, das auch für den Landkreis Esslingen zuständig ist, hat im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres 489 Arbeitgeber in der Region kontrolliert. Im Fokus der Fahnder dabei: illegale Beschäftigung, Sozialbetrug und Verstöße gegen geltende Mindestlöhne. Allein Baufirmen bekamen 155 Mal Besuch von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) des Zolls, wie die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt mitteilt. Die IG Bau beruft sich dabei auf eine Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Grünen Bundestagsabgeordneten Beate Müller-Gemmeke.

Demnach hätten es die Stuttgarter Zöllner häufig mit Tricksereien beim Lohn zu tun gehabt: In der ersten Jahreshälfte seien in der gesamten Region 423 Verfahren wegen Ordnungswidrigkeiten eingeleitet worden – weil Mindestlöhne unterschritten, gar nicht oder zu spät gezahlt wurden. Hierbei seien Bußgelder in Höhe von rund 636 000 Euro verhängt worden, davon 245 000 Euro gegen Bauunternehmen.

Kontrolle aus einer Hand

„Die Zahlen zeigen, dass es viele Firmen mit der Bezahlung ihrer Beschäftigten nicht so genau nehmen“, kritisiert Mike Paul, Bezirksvorsitzender der IG Bau Stuttgart. Der Gewerkschafter begrüßt die Pläne der Ampel-Koalition, das Lohn-Minimum auf 12 Euro pro Stunde anzuheben. Allein im Kreis Esslingen dürften damit die Einkommen Tausender Menschen spürbar steigen. Allerdings müsse der Staat sicherstellen, dass sich die Firmen auch an die Vorschriften hielten – und für einen „höheren Kontroll-Druck“ sorgen. Das gelinge jedoch nur, wenn die FKS beim Hauptzollamt Stuttgart personell erheblich aufgestockt werde.

„Klettert der gesetzliche Mindestlohn auf 12 Euro und bleibt es gleichzeitig bei der bisherigen Kontrollquote, ist die Gefahr für Arbeitgeber, bei Mindestlohnverstößen ertappt zu werden, verschwindend gering. Da muss man dann schon von reinen ,Placebo-Kontrollen‘ sprechen“, so Paul. Die IG Bau kritisiert zudem ein „staatliches Zuständigkeits-Wirrwarr“ bei den Kontrollen. Das führe häufig dazu, dass Missstände ungeahndet blieben. „Perspektivisch brauchen wir eine staatliche Arbeitsinspektion, die als übergeordnete Behörde die Einhaltung der Arbeitnehmerrechte und Sozialvorschriften sicherstellt“, fordert Paul. Eine solche „Arbeitskontrolle aus einer Hand“ habe sich in Frankreich und Spanien bewährt. Außerdem müsse die Behörde etwa bei Mindestlohnverstößen Nachzahlungen an Beschäftigte veranlassen dürfen. Die IG Bau setzt sich zugleich dafür ein, auffällig gewordene Firmen von der öffentlichen Auftragsvergabe auszuschließen. pm