Zwischen Neckar und Alb

Zwei Windräder für die Forschung

Umwelt Eine Anlage bei Stötten soll Erkenntnisse zur optimalen Technik am Albtrauf, zu Betriebszeiten und zum Schutz von Menschen und Tieren liefern. Von Daniel Grupp

Zwei neue Windräder werden im Landkreis Göppingen zwischen Donzdorf und Stötten aufgestellt. Sie sollen der Forschung dienen.Fot
Zwei neue Windräder werden im Landkreis Göppingen zwischen Donzdorf und Stötten aufgestellt. Sie sollen der Forschung dienen. Foto: Tilman Ehrke

Zwei neue Windräder und zwei Messmasten dürfen an der Markungsgrenze zwischen Donzdorf und Stötten aufgestellt werden. Das Umweltschutzamt des Landrats- amts Göppingen hat die Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz erteilt.

Gegenüber den benachbarten Windkraftanlagen (WKA) auf dem Tegelberg oder bei Lauterstein werden die neuen Rotoren wie Zwerge wirken - sie sind mit rund 100 Metern nur halb so hoch. Das ist kein Wunder - die Neulinge dienen nicht der kommerziellen Stromerzeugung, sondern Forschungszwecken. Von den Ergebnissen sollen Anwohner, Vögel, Fledermäuse aber auch Windkraftbetreiber profitieren.

Die Baugenehmigung hat das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) erhalten. Das ZSW ist eine gemeinnützige Stiftung, die 1988 vom Land zusammen mit Universitäten und Unternehmen gegründet worden war. Ziel ist, regenerative Energien zu erforschen und markttaugliche Produkte zu entwickeln.

Bei Stötten wird nun ein Testfeld für Windenergie aufgebaut, das Antworten auf viele Fragen zur Windkraftnutzung liefern könnte. Schon 2017 und 2018 errichtete das ZSW dort zwei rund 100 Meter hohe Messmasten. Deren Daten sollen mit den Messwerten ver- glichen werden, die sich nach dem Bau der beiden WKA ergeben, erläutert Andreas Rettenmeier, Projektleiter bei ZSW. So lasse sich erkennen, wie die neuen Windräder ihr Umfeld beeinflussen.

In diesem Jahr sollen zwei weitere Messmasten erstellt und Fundamente gelegt werden. Wegen der hohen Datenmenge, die zu erwarten ist, werden Breitbandkabel verlegt. Die Windräder mit einer Leistung von jeweils 750 Kilowatt sollen im ersten Quartal 2021 aufgestellt werden. Die Anlagen am Tegelberg haben eine mehr als dreifache Leistung. Dass die ZSW-Räder deutlich kleiner als die kommerziellen Nachbarn sind, werde ausgeglichen, indem die Daten hochgerechnet werden.

Fledermäuse werden überwacht

Andreas Rettenmeier erhofft sich Erkenntnisse zur Hangströmung am Albtrauf. Davon können kommerzielle WKA profitieren, indem Rotoren oder einzelne Flügel angepasst werden. An den beiden Forschungs-WKA würden abwechselnd Technologien erprobt. „Wir werden Experimente fahren.“

Aber auch Mensch und Tier sollen profitieren: Andreas Rettenmeier erhofft sich Erkenntnisse, wie sich der Lärm der Räder abhängig von Rotorenstellung und Witterung verhält. Um Rote Milane zu schützen, werden Kameras installiert, deren Software erkennen kann, ob sich ein Vogel nähert, und sie identifiziert die Art. Bis das Programm zuverlässig funktioniert, sind Menschen vor Ort, die eingreifen zu können. Sensoren überwachen auch Fledermäuse. Es soll ermittelt werden, ob die verordneten Schutzzeiten tatsächlich zum realen Flugverhalten der Säugetiere passen. „Das wird mit den Wetterdaten verglichen“, sagt Andreas Rettenmeier. Ziel ist, Betriebs- und Schutzzeiten zu optimieren. Er hofft, dass das Testfeld Antworten auf umstrittene Fragen geben kann: „Vielleicht können wir zur Versachlichung beitragen. Das ist unser Ziel.“

Jochen Weinbrecht, Leiter des Umweltschutzamts im Landkreis Göppingen, betont, dass die Windkraftanlage „keinesfalls zur wirtschaftlichen Energiegewinnung läuft“. Die beiden Anlagen werden häufig stillstehen, weil neue Techniken und Betriebsweisen getestet würden. Bei der Testanlage seien sogar Konflikte mit den großen Greifvögeln erwünscht. Forscher und Vogelexperten seien bei den Windrädern, betont Jochen Weinbrecht. Erst Konflikte könnten ihnen Lösungen zum Schutz des Milans zeigen. Notfalls stehe ein Beobachter bereit, der per Knopfdruck die Rotoren stoppen kann, versichert der Chef des Umweltschutzamts.