Auf den Anlagen im Ötlinger Rübholz ruht der Sportbetrieb. Seit einem halben Jahr darf nicht mehr gekickt werden. Das endgültige Aus für den Rest der Saison 2020/21 steht kurz bevor. Corona hat auch die Turner, Leichtathleten, Volleyballer und Tennisspieler in die Knie gezwungen. Nur im Schützenhaus nebenan rührt sich etwas. Ein- bis zweimal in der Woche trainiert ein 21-Jähriger eisern für die Europameisterschaft in Kroatien.
Er darf das. Als Spitzensportler, der dem Nationalkader angehört, fällt Pistolenschütze Robin Walter nicht unter das allgemeine Sportverbot für Amateure. Der junge Mann aus Ebersbach war 2017 Junioren-Europameister mit der Freien Pistole (50 Meter), 2019 EM-Dritter mit der Luftpistole (10 Meter). Im selben Jahr deutscher Juniorenmeister mit der Freien Pistole und gemeinsam mit Andrea Heckner aus Bayern Weltcup-Sieger im Mixed. 2020 fielen dann alle Titelkämpfe der Pandemie zum Opfer.
In diesem Jahr nun ein neuer Anlauf. Für Walter, inzwischen aufgerückt in die Klasse der Aktiven, ist die EM das erste große Ziel. Eigentlich war der finnische Verband als Veranstalter vorgesehen, aber wegen der Covid-19-Risiken bekamen die Nordländer kalte Füße und sagten ab. Kroatien sprang in die Bresche, organisiert jetzt vom 23. Mai bis 7. Juni in Osijek die Europameisterschaften in allen Pistolen- und Gewehrdisziplinen.
Walter hat sich im März mit der Luftpistole wieder für die EM qualifiziert. In drei Ausscheidungs-Runden auf der Olympiaanlage von 1972 in München-Hochbrück setzte er sich mit 575, 581 und 580 von 600 möglichen Ringen durch. Im Gesamtergebnis (1736) war er ringgleich mit Philipp Grimm (Kelheim) als Drstplatzierter. Die dritte EM-Fahrkarte ging an Michael Heise (München, 1727).
Die souveräne Qualifikation - der verdiente Lohn für eine akribische Vorbereitung, stets unter den Augen des Ötlinger Hausherrn Joachim Poppek. Der erfahrene Schützenmeister über Walter: „Ein sehr ruhiger, ausgeglichener Mensch mit klaren Zielen. Bei der EM traue ich ihm einiges zu.“ Mit einem entsprechend guten Resultat kann der treffsichere Schwabe nicht nur nach einer Medaille greifen, sondern dem Deutschen Schützenbund auch einen Quotenplatz für die Olympischen Spiele in Tokio sichern, seinem großen Fernziel in dieser Saison.
Stellt sich noch die Frage, warum ein Ebersbacher nicht auf dem heimischen Schießstand, sondern seit Herbst 2019 im Rübholz trainiert? Die Antwort ist einleuchtend: Im Gegensatz zur Ötlinger Indoor-Anlage wird auf dem alten Ebersbacher Schießstand ins Freie geschossen, wo extremes Wetter wie starker Wind oder heftiger Regen die Resultate beeinflussen können.