Lokalsport
Überregionaler Fußball: Warum hinkt die Teckregion hinterher?

Fußball Dass aktuell kein lokales Team auf württembergischer Ebene vertreten ist, liegt in erster Linie am Geld, hat aber auch strukturelle Gründe. Von Peter Eidemüller

Der Altkreis Nürtingen, der Raum Göppingen, die Teckregion und die Esslinger Ecke – teilt man den Fußballbezirk Neckar/Fils nach den Verbreitungsgebieten der vier jeweiligen Lokalzeitungen auf, müssen Leser des Teckboten seit Jahren auf ein kickendes Aushängeschild verzichten. Seit dem Oberliga-Aus des VfL Kirchheim 2011 und dem Landesligaabstieg des TSV Weilheim 2019 ist die Teckregion nicht mehr im württembergischen Amateurfußball vertreten und muss den Nachbarvereinen den Vortritt lassen (siehe Infoartikel).

Aber warum? Nicht erst seit der ARD-Reportage „Schwarzgeld im Amateurfußball“, die bundesweit von bis zu einer Milliarde Euro an Bezahlungen für Spieler pro Jahr ausgeht, weiß man, dass der Erfolg stark vom jeweilige Portemonnaie abhängt – auch in der Teckregion „Das ist schon eine Frage des Geldes“, sagt Uwe Fechter aus Weilheim, der in seiner Arbeit als Trainer am DFB-Stützpunkt in Ruit täglich sieht, welchen Einfluss monetäre Verlockungen auf junge Talente haben. Von erfahrenen Spielern, bei denen die Grenze zwischen Hobby und Mini-Job verschwimmt, ganz zu schweigen. „Der Markt gibt hier leider Gottes den Takt vor, da hast du ohne entsprechende Mittel fast keine Chance mehr“, weiß Fechter.

Ohne Moos also auf Dauer nichts los in der Teckregion? Nebih Kadrija sieht die finanzielle Schlagkraft nur als einen von vielen Schlüsseln zum Erfolg. „Klar sind Gönner und Partner wichtig, aber du brauchst als Verein auch einen Plan, wie du in allen Bereichen organisch wachsen musst.“ Kadrija kennt das System quasi von innen, hat sowohl für den VfL Kirchheim als auch den Göppinger SV in der Oberliga gespielt. „In Göppingen haben sie mit Gianni Coveli einen Trainer, der den Verein weiterentwickeln will und den der Verein das auch machen lässt“, plädiert der 35-Jährige, seit 2020 Spielertrainer bei A-Ligist SF Dettingen, für eine seiner Meinung zu wenig ausgeprägte Tugend im Amateurfußball: Geduld. „Wenn du nur den schnellen sportlichen Erfolg suchst, ohne dass das Drumherum mitwächst, kann das nichts werden“, glaubt er. „Man muss einem Trainer auch die Zeit geben, seine Vision langfristig umzusetzen.“

Erfolgsrezept Jugendarbeit
Wie das funktionieren kann, beweist aktuell Chris Eisenhardt. Vor dreieinhalb Jahren als Coach beim TSV Weilheim abgesägt, hat der ehemalige Oberligakicker des VfL den TSV Bernhausen in der Bezirksliga Stuttgart von einem Abstiegskandidaten zu einem Titelanwärter geformt. Sein Erfolgsrezept: eine gut aufgestellte Jugend. „Wenn du jedes Jahr die zwei bis drei besten A-Jugendlichen in die Aktivenmannschaft bringst, hilft das enorm“, sagt Eisenhardt, der jedoch um den Preis dieser Politik weiß. „Wenn du nicht die Mittel hast, um die jungen Leute zu halten, musst du eben damit leben, ein Ausbildungsverein zu sein.“

Dass die Qualität der Ausbildung wiederum (zu) stark vom Finanzgebaren im Aktivenbereich abhängt, stößt Szenebeobachtern wie Uwe Fechter schon lange auf. „Es ist extrem bitter, dass Spieler schon in den unteren Ligen Geld bekommen“, sagt er, „die Vereine sollten diese Summen lieber in ihre Jugendtrainer investieren. Je besser die sind, desto höher die Chance, dass der Verein später davon profitiert.“

Vor diesem Hintergrund ist in der Teckregion ein Silberstreif am Horizont erkennbar: Nach sechs Jahren in der Bezirksliga winkt dem VfL die Rückkehr in die Landesliga und damit auf württembergische Bühne – auch deshalb, weil Trainer Armin Ohran neben arrivierten Spielern verstärkt auf Eigengewächse setzt. „Die Kirchheimer sind da auf einem guten Weg“, lobt Uwe Fechter, „die Durchlässigkeit zwischen Aktiven- und Jugendbereich ist groß.“ In der Tat: Im vorletzten Testspiel gegen Geislingen standen in einer Halbzeit vier A-Junioren auf dem Platz. Spannend dürfte im Fall eines möglichen Aufstiegs werden, ob und unter welchen Bedingungen die Mannschaft beisammen bleibt. „Auch die größte Loyalität zum Heimatverein kann nicht verhindern, dass Spieler mit Geld weggelockt werden“, unkt Uwe Fechter.

Um aber erst einmal an Geld zu kommen, bedarf es gut vernetzter Funktionäre, die sich um potenzielle Sponsoren kümmern. Dass dabei eine personelle Kontinuität zum Erfolg beiträgt, beweist das Beispiel des Aushängeschilds im Bezirk: Beim Göppinger SV ist die Mannschaft hinter der Oberligamannschaft seit über zehn Jahren die gleiche. „Im Management sind wir seit Bezirksligazeiten beisammen“, sagt Sportchef Ingo Miede, nicht ohne auf das damit zusammenhängende Problem hinzuweisen. „Wir sind alle zwischen 50 und 65, da droht auf lange Sicht ein Altersproblem, wenn keine Jüngeren nachkommen.“

Die Nachbarn stehen besser da

Der Raum Göppingen ist innerhalb des Bezirks Neckar/Fils am reichsten mit Fußballteams auf Verbandsebene gesegnet: Der Göppinger SV spielt seit 2016 in der Oberliga, der FC Heiningen seit 2018 eine Klasse tiefer in der Verbandsliga. Mit dem SC Geislingen, dem TSV Bad Boll und dem SV Ebersbach tummeln sich drei weitere Vereine in der Landesliga – erfolgreich und beständig: Während Geislingen als Spitzenreiter der Aufstieg in die Verbandsliga winkt, zählen Boll (seit 2008) und Ebersbach (seit 2009) zu den „Dinos“ der Landesliga.
Im Altkreis Nürtingen ist die TSV Oberensingen die Nummer eins. 2018 in die Landesliga aufgestiegen, klopfen die „Sandhasen“ als Tabellenzweiter momentan an die Tür zur Verbandsliga. Mit dem FC Frickenhausen und dem TSV Köngen sind seit zwei Jahren noch zwei weitere „Nürtinger“ Klubs in der Landesliga am Ball.
Die Esslinger Ecke hat mit dem TSV Deizisau seit 2020 einen Verein auf württembergischer Ebene. Darüber hinaus ist das Vorzeigeprojekt FC Esslingen mittel­fristig ein Kandidat für Höheres. Momentan zwar nur Sechster der Bezirksliga, will der FCE bis 2028 in der Oberliga spielen. pet