Lokalsport
Adios, Diego!

Rückschau halten ist im Corona-Jahr aus sportlicher Sicht alles andere als einfach - trotz Absagen, Ausfällen und Abbrüchen gab es für die Lokalsportredakteure des Teckboten und die freien Mitarbeiter 2020 auf lokaler und überregionaler Bühne genügend Highlights.

Sie nannten ihn „el pibe de oro“, den Jungen aus Gold. Klein von Gestalt, ein Riese am Ball: Diego Armando Maradona, die Fußball-Ikone zwischen Genie und Wahnsinn. Gesundheitlich schwer angeschlagen, vollendete er am 25. November im Alter von 60 Jahren sein letztes Dribbling - sein Ableben weckte in mir in die Erinnerung an zwei Highlights vor mehr als 30 Jahren.

Ich hatte das Glück, den Mythos live zu erleben, gleich zweimal in den beiden UEFA-Cup-Endspielen des VfB gegen den SSC Neapel 1989. Das Hinspiel am Fuße des Vesuv war ein heißer Tanz. VfB-Trainer Arie Haan hatte Jürgen Hartmann bestimmt, den Superstar zu bewachen. Der löste seine Aufgabe mit Bravour. „Maradona, Maradona, ha, ha, ha“ höhnten 3000 mitgereiste Fans. Zumal die Schwaben durch ein Tor von Maurizio Gaudino in Führung gingen. Doch den Sieg bejubelten am Ende die Neapolitaner, entschieden wiederum durch die „Hand Gottes“. Obwohl jeder im Stadion gesehen hatte, dass beim 2:1 Maradonas Hand im Spiel war, ignorierte der Schiedsrichter den Regelverstoß.

Bis zum Rückspiel herrschte Kalter Krieg zwischen beiden Klubs. In Neapel mussten das VfB-Präsidium und die Spielerfrauen mit Stehplätzen vorliebnehmen. Der SSC hatte ihnen Tickets für eine Stuhlreihe gegeben, die gar nicht existierte. Der VfB revanchierte sich. Als Neapels Trainer Bianchi und Manager Moggi zur Beobachtung eines Spiels gegen den KSC nach Stuttgart kamen, wurden sie nicht vom Flughafen abgeholt und durften auch nicht im Ehrenblock sitzen.

Für die Fans war Maradona nach seinem Handspiel ein rotes Tuch. Sie wollten ihn bei jeder Ballberührung mit gellenden Pfiffen bestrafen. Doch das Vorhaben erledigte sich schon vor dem 3:3, mit dem Neapel den UEFA-Cup gewann. Beim Warmmachen ließ der Ballkünstler die Kugel minutenlang virtuos auf Fuß, Kopf und Schulter tanzen. Die Zuschauer waren verzückt und nahmen die Finger wieder aus dem Mund. Statt Misstönen gab‘s Standing Ovations für eine Vorstellung der Extraklasse.

21 Jahre später ist die Maradona-Show zu Ende. Adios, Diego! Klaus Schlütter