Lokalsport
Am dritten Advent brennt die Hütte

Basketball Das 62:80 der Knights gegen die Eisbären gleicht einem Offenbarungseid. Wieder leistet die Mannschaft dem Gegner Aufbauhilfe.  Von Bernd Köble

Als Richie Williams nach drei gespielten Minuten im Schlussviertel mit gesenktem Blick vom Spielfeld schlich, war nahe der Wechselzone plötzlich kein Platz mehr auf der Bank. Williams zögerte kurz bevor er sich an den Kollegen vorbei ans äußerste Ende der Reihe zwängte. Er dürfte es wohl geahnt haben: Der lange Weg zurück würde ihm erspart bleiben. Williams kam nicht wieder. Zum ersten Mal überhaupt ging es ohne den Denker und Lenker im Kirchheimer Spiel in die Schlussphase.

Williams Totalausfall stand am Samstag stellvertretend für die wohl schlechteste Leistung einer Kirchheimer Mannschaft seit langem. Elf Spieler, die den Anschein erweckten, als steckten Bleiwesten unter den gelben Knights-Jerseys, als habe man alles an Siegermentalität und Opferbereitschaft in der Kabine gelassen. Selbst als die Fans gegen
 

Ich würde gerne in die Köpfe meiner Spieler schauen.
Igor Perovic
Kirchheims Cheftrainer wirkte nach dem Spiel genauso ratlos wie seine Mannschaft.
 

keineswegs furchteinflößende Gäste aus Bremerhaven doch noch begannen, an ein Wunder zu glauben, erlosch dieses Strohfeuer im Schlussviertel ohne viel Rauch. Auf der Tribüne stellten sich etliche an diesem denkwürdigen Basketballabend die Frage: „Wie kann das sein?“ Sechs Tage nach dem mitreißenden Overtime-Krimi im Artland war die Mannschaft nicht wiederzuerkennen – nicht zum ersten Mal.

Antworten zu finden auf solche Fragen, fällt inzwischen auch Headcoach Igor Perovic schwer. Der wollte danach am liebsten gar nicht über Basketball reden, denn mit Basketball, sagt er, hatte dieser Abend wenig zu tun. „Ich würde gerne in die Köpfe meiner Spieler schauen, aber ich kann es nicht.“ Über Qualität zu reden, die fraglos in der Mannschaft steckt, fällt immer schwerer. Denn: „Stabilität und Konstanz ist auch eine Qualität,“ sagt Perovic. „Und die haben wir nicht.“

Warum die Mannschaft unter einer unfassbaren Abschlussschwäche leidet, immer wieder selbst angeschlagene Gegner stark macht, einen Fehlstart nach dem anderen hinlegt, um sich dann mit viel Aufwand mühsam zurück kämpfen zu müssen, weiß im Moment niemand. Am Samstag passten sich auch die drei Unparteiischen dem erschreckend schwachen Niveau dieses Spiels an. Ein halbes Dutzend fragwürdiger Entscheidungen gegen die Gastgeber fiel just in die Phase, in der die Ritter nach einem 22-Punkte-Rückstand plötzlich bis auf einen Zähler dran waren.

Geschenkt. Für Kirchheim gilt: Es knirscht in allen Mannschaftsteilen. Ob bei Jonas Niedermanner, der nach starkem Saisonstart seit Wochen unsichtbar wirkt, bei Kayne Henry, dessen vogelwilde Auftritte nach längerer Pause mehr an Street-Basketball erinnern und der sich am Samstag fast 27 Minuten lang der für alle hörbaren Empfehlung seines Trainers widersetzte: Benutz endlich deinen Kopf. Das gilt auch für Michael Flowers, der erst dann hinten zupackt, wenn’s auch vorne läuft. Dass der begnadete Distanzschütze seine Privatstatistik in der Garbagetime am Samstag noch kräftig aufpolierte, als das Spiel längst gelaufen war, wirkte fast wie Hohn. Wenn in all diesem Chaos mit Richie Williams auch noch die ordnende Hand fehlt, wird es unansehnlich. Der 35-jährige Spielmacher, der vor zehn Tagen Familienzuwachs bekommen hat, gibt immerhin den geringsten Anlass zur Sorge. „Er wird das schnell wieder in den Griff bekommen,“ meint Knights-Sportchef Chris Schmidt. „Da bin ich mir ganz sicher.“

Lightfoot-Ausfall wird zur Gefahr

Ein vergleichsweise dickes Problem haben die Ritter seit der siebten Minute im dritten Viertel am Hals. Die Verletzung von Mitch Lightfoot, der sich nach einem Luftkampf beim Aufprall die Schulter auskugelte, könnte den weiteren Verlauf der Saison entscheidend beeinflussen. Ein MRT soll in dieser Woche Aufschluss über die Schwere der Verletzung geben. Nach einer ersten Diagnose ist nicht auszuschließen, dass operiert werden muss, um Langzeitfolgen zu vermeiden. Fiele Lightfoot länger aus, drohen die gleichen Probleme wie in den Anfangswochen der Saison, als am Ende jedes Spiels fast jeder Rebound-Vergleich krachend in die Binsen ging. Erst mit der Ankunft des jungen Amerikaners Mitte Oktober änderte sich das schlagartig. Zwar blieb auch er am Samstag blass, doch ohne den 25-Jährigen, der bisher im Schnitt 14 Punkte und 5,9 Rebounds erzielte, haben die Knights ein gewaltiges Problem. Der Hoffnung, dass im Januar schlimmstenfalls nachverpflichtet werden könnte, hat Chris Schmidt bereits einen Riegel vorgeschoben. „Das ist in unserem Budget nicht drin,“ sagt er.