Vaihingen. Als Andreas Kiesewetter, Sportlicher Leiter beim MTB Teck, der 16-jährigen Patricia Hafer aus Nürtingen vorschlug, zur Vorbereitung auf die Mountainbike-Saison 2024 mal ein paar „Cross-Rennen“ zu bestreiten, blickte er erst mal in fragende Augen. „Was sind Cross-Rennen?“, war die erste Reaktion der jungen Frau, die dieses Jahr die MTB-Nachwuchssichtungsserie des Bundes Deutscher Radfahrer in der Klasse U 17 nach zwei Siegen zu Beginn der Saison insgesamt auf dem vierten Platz abgeschlossen hatte und als vielversprechendes Talent für die kommenden Jahre gilt.
Dabei hat „Cyclo-Cross“ oder auch „Querfeldein“ eine große Tradition in Deutschland. Rolf Wolfshohl oder Klaus-Peter Thaler, beide Weltmeister in den 1960er- bis 1980er-Jahren, dominierten früher die Szene dieser Winter-Radsportart, die ursprünglich mal das Training der Straßenfahrer in der kalten Jahreszeit ergänzen sollte. Deswegen waren die Räder lediglich umgebaute Straßenmaschinen mit profilierten Reifen. Heute sind es stabilere Spezialmaschinen, aber immer noch mit gebogenem Lenker und schmalen Reifen, aus denen sich in den vergangenen Jahren die mittlerweile boomenden Gravel-Bikes entwickelt haben. „Aber so ein Cross-Rad habe ich doch gar nicht“, wandte Patricia Hafer ein. Zum Glück standen bei Kiesewetter noch welche aus dessen aktiver Karriere im Keller. Denn bei Cross-Rennen, die bei den Juniorinnen und Frauen rund 45 Minuten – bei den Männern eine ganze Stunde – dauern, darf im Gegensatz zu MTB-Rennen das komplette Rad während des Wettkampfs gewechselt werden. Da bei Wind und Wetter gestartet wird, haftet meist kiloweise Schlamm und Gras an Rahmen und Rädern, während Schaltung und Pedale mit Dreck zugesetzt sind. Profis – heute dominieren Namen wie Wout van Aert, Mathieu van der Poel oder Tom Piddock die Szene – haben daher oft drei oder vier Räder in der Wechselzone, die von den Betreuern schnell gereinigt werden. Die schmalen Reifen, der oft rutschige Untergrund und die engen Kurven der Cross-Kurse verzeihen viel weniger Fehler als Mountainbikes. Deswegen gelten Cross-Rennen als gute Schule für die Fahrtechnik und somit als gutes Training im Winter für die anstehende Sommersaison. Patrica Hafer willigte in das Experiment ein und setzte sich vor drei Wochen erstmals auf den „Crosser“. Kiesewetter gab ihr zur Einführung einen kleinen Crashkurs. Denn auf den Strecken gilt es auch Treppen und künstliche Hindernisse zu überwinden. „Ich bin von Anfang an gut damit zurechtgekommen, auch wenn die Schaltung ganz anders ist und ich das Auf- und Abspringen erst einmal üben musste“, berichtet Hafer über ihre ersten Erfahrungen.
Am Wochenende stellte sie sich der Konkurrenz im Rahmen der Cyclo-Cross-Bundesliga, die mit einem Doppelwochenende in Vaihingen am Samstag und Magstadt am Sonntag Station machte. „Ich war ganz schön aufgeregt“, erzählte die Schülerin des Hölderlin-Gymnasiums später. Schließlich kannte sie keine ihrer Mitstreiterinnen, vor allem, da das auch ihre ersten Rennen in der U 19-Klasse waren. Doch sie kam mit Rad und Kurs gut zurecht, verpasste auf dem flachen, kurvigen Kurs in Vaihingen als Vierte knapp das Podium, beim konditionell anspruchsvolleren Rennen in Magstadt belegte sie 24 Stunden später den dritten Platz. Damit war nicht nur sie selbst, sondern auch Andreas Kiesewetter mehr als zufrieden. Jetzt will sie weitermachen: Demnächst stehen die baden-württembergische Meisterschaft bei Karlsruhe und Anfang Januar die DM im Ruhrgebiet auf dem Programm. „Crossen macht mir richtig Spaß“, sagt Patricia Hafer, bevor sie duschen geht. Denn eines ist crosstypisch: Man wird dabei richtig dreckig.