Lokalsport
Auf den Schwingen eines Pioniers

Erinnerung Genau 70 Jahre nach Wolf Hirths erstem Segelflugstart auf der Kirchheimer Hahnweide gehen seine Nachfolger wieder in die Lüfte – im Original-Nachbau von damals. Von Lars Reinhold

Ob Wolf Hirth am 23. Dezember 1951 genauso gefroren hat wie diejenigen, die 70 Jahre später mit einem Flug im Originalflugzeug von damals an seinen ers­ten Start auf der Hahnweide erinnerten, ist nicht überliefert. Man darf jedoch davon ausgehen, dass der legendäre Flugpionier, der einer von der Luftfahrt begeisterten Familie entstammte und bereits in den 1920er- und 1930er-Jahren mit zahlreichen außergewöhnlichen Flügen auf sich aufmerksam machte, jeder Kälte getrotzt hätte, um die für den baden-württembergischen Luftfahrtverband gebaute „Gö-4“ einzufliegen.

Dem Werkstatt-Team des Fliegenden Museums Hahnweide ist es zu verdanken, dass die Fliegergruppe Wolf Hirth dem Jubiläum mit einem Start exakt desselben Flugzeugmusters gedenken konnte, in dem Wolf Hirth einst
 

„Ein schöner und auch ein emotionaler Moment.
Hellmut Hirth
Der Sohn des Flugpioniers Wolf Hirth nach dem Jubiläumsflug.

 

in die Luft ging. Neben Tilo Holighaus, dem Geschäftsführer der von Wolf Hirth und Martin Schempp gegründeten Flugzeugbaufirma Schempp-Hirth, saß Wolf Hirths Sohn Hellmut, selbst lange Zeit aktiver Segelflieger, im Cockpit. Der 72-Jährige genoss es sichtlich, auf den Spuren seines Vaters zu wandeln. „Das war ein schöner und auch ein emotionaler Moment“, sagte Hirth, selbst Gründungsmitglied und zweiter Vorsitzender des Fliegenden Museums Hahnweide.

Der Spaß begann schon damit, zu klären, wann Wolf Hirth das erste Mal hier geflogen ist. Ein Blick in sein Tagebuch brachte Gewissheit: Es war der 23. Dezember 1951. Auch Tilo Holighaus war begeistert vom Jubiläumsflug: „70 Jahre nach Wolf Hirth in einer Gö-4 einen Start auf der Hahnweide zu absolvieren, das ist schon irre“, meinte Holighaus, Grand-Prix-Weltmeister von 2019. Im Gegensatz zu Hirth, der bei seinem zweiten Flug vor 70 Jahren die Kufe des Seglers bei der Landung auf gefrorenem Boden zerbrach, blieb das Flugzeug beim Revival heil.

Allerdings beließen es die Piloten nicht allein beim Schwelgen in historischen Erinnerungen: Neben den Gö-4-Flügen konnten einige Flugschüler der Fliegergruppe erste Erfahrungen im Flugzeugschlepp sammeln. Ein weiteres historisches Flugzeug aus dem Bestand des Fliegenden Museums, ein Zugvogel, drehte am Himmel seine Runden und zum Finale zeigten Christian Hartmann und Lars Reinhold noch einige Segelkunstflüge über dem Flugplatz und brachten dabei sogar Pyrotechnik zum Einsatz. Es war eine würdige Feier zum 70-jährigen Bestehen des Flugplatzes zwischen Stadt und Talwald.

Dabei war die weitere Entwicklung des Fluggeländes auf der Hahnweide damals noch nicht absehbar. „Die Hahnweide ist zwar nicht gerade das ideale Fluggelände, doch da sie in erster Linie als Übungsgelände gedacht ist, reicht sie der Segelsportgruppe Kirchheim durchaus“, stand in einem Artikel der damaligen „Teckrundschau“ zu lesen. Heute gilt die Hahnweide als einer der am stärksten frequentierten Segelflugplätze in Deutschland. Jedes Jahr werden hier mehr als 5000 Starts absolviert. Sechs Luftsportvereine nutzen den Sonderlandeplatz als Basis. Regelmäßig starten Piloten von hier aus zu Streckenflüge von mehr als tausend Kilometern, und mit dem Hahnweide-Wettbewerb, der in Zeiten vor Corona jedes Jahr mehr als 100 Piloten aus der ganzen Welt nach Kirchheim lockte, hat sich über mehr als 50 Jahre eine Sportveranstaltung von internationalem Rang entwickelt. Zudem betreibt der baden-württembergische Luftfahrtverband hier seine Motorflugschule, und mit dem Oldtimer-Treffen auf der Hahnweide richtet die Fliegergruppe Wolf Hirth regelmäßig eine historische Flugschau aus, die Tausende Luftfahrtfans begeistert. All das begann mit dem Flug von Wolf Hirth am 23. Dezember 1951.