Kirchheim. Kein Witz: Die Entscheidung zur Kapitulation reifte am 8. Mai. Am Tag, an dem die Ampel auf Grün sprang, warfen die Organisatoren hin. „Die Entscheidung ist uns nicht leicht gefallen“, kommentiert RSK-Sprecher Wolfgang Beck das Ende einer Veranstaltung, die im Rekordjahr 2010 mehr als 500 Freizeit-Biker nach Kirchheim lockte. Die Frist vom Zeitpunkt der Genehmigung bis zum geplanten Termin am 1. September reiche nun nicht mehr aus, um Streckenposten zu rekrutieren oder die bisher üblichen Teilnehmer-Trikots bedrucken zu lassen. Eine Situation, die nicht neu ist: Schon 2012 musste die Veranstaltung Mitte Juli aus den gleichen Gründen abgesagt werden. Damals war von einer einjährigen Pause die Rede. Jetzt scheint das Maß voll zu sein.
Dabei wollte man eigentlich aus Erfahrung lernen. Am 24. August vergangenen Jahres – so früh wie noch nie – habe man den Genehmigungsantrag beim Kirchheimer Ordnungsamt eingereicht, in der Hoffnung, bis zum Jahreswechsel alle strittigen Fragen geklärt zu wissen, sagt Wolfgang Beck. Zuletzt ging es vor allem um die Frage, ob Motorräder als mobile Streckenposten in Wald und Flur akzeptabel seien. Den Behörden ist das gute Dutzend motorisierter Helfer ein Dorn im Auge. Beck nennt es einen „wichtigen Teil des Sicherheitskonzepts.“
Aus dem erhofften kurzen Prozess wurde letztlich nichts. Auch deshalb, weil bereits im Vorjahr beanstandete Punkte erneut im Antragsschreiben auftauchten. „Darüber haben nicht nur wir uns gewundert“, sagt Christoph Lazecky, der zuständige Mann im Kirchheimer Ordnungsamt. Auch im Regierungspräsidium habe dies Kopfschütteln bewirkt. Das Gesuch wurde daraufhin modifiziert und am 15. Oktober erneut eingereicht. Es folgte die Anhörung der Anlieger-Gemeinden, dann wartete man mehrere Monate auf die Urteile der Aufsichtsbehörden. Die Stellungnahme vom Regierungspräsidium habe er im Februar erhalten, die vom Esslinger Landratsamt sogar erst im März, sagt Lazecky. „Wir hier in Kirchheim haben mit Sicherheit nichts verschleppt.“ Klaus Trautmann, Referatsleiter in Sachen Straßenverkehr im Regierungspräsidium spielt den Schwarzen Peter gelassen zurück: Die Sache bedürfe gar keiner Einmischung seitens des RP. „Wir sind nur beratend tätig“, sagt er. „Die Große Kreisstadt Kirchheim kann völlig frei entscheiden.“
Dass der Verein sein Engagement zurückzieht, überrascht nun viele, die am Verfahren beteiligt waren. Kirchheims radsportaffiner Bürgermeister Günter Riemer soll vor seiner Abreise in den Urlaub vergangene Woche jedenfalls deutlich pikiert gewesen sein, heißt es aus Mitarbeiterkreisen, nachdem es kurz zuvor noch Gespräche zwischen beiden Seiten gegeben hatte, in denen kein Signal gekommen sei. Auch Kirchheims Rathauschefin Angelika Matt-Heidecker, die erst vorgestern von der Absage erfuhr, zeigt sich verärgert. Zumal RSK-Gründer Albert Bosler als Initiator des Albtraufmarathons bereits einen alternativen Standort ausgeguckt hat: Im 20 Kilometer entfernten Gruibingen soll am 8. September – nur eine Woche nach dem geplanten Termin in Kirchheim – der Gruibingen-Marathon Premiere feiern. Dass das Verfahren dort noch im Anfangsstadium steckt, während in Kirchheim seit einem Monat die Ampel auf Grün steht, beunruhigt im Kirchheimer Radsportverein offenbar niemand. Im Gegenteil: Bosler, den die Pläne für einen zweiten Radmarathon schon seit zwei Jahren umtreiben, verspürt im Nachbarkreis Göppingen nach eigenem Bekunden jenen Rückenwind, den er in Kirchheim von Beginn an vermisst hat. „Wir erfahren Zuspruch und Unterstützung von allen Seiten“, stellt er nach den ersten Ortsterminen mit Polizei und Bürgermeistern erfreut fest.
Auch seitens des Göppinger Landratsamtes macht man den Veranstaltern Hoffnung. „Es ist durchaus denkbar, dass wir das bis zum 8. September hinbekommen“, meint Karl Moser, der Leiter der dortigen Straßenverkehrsbehörde. Klarer Vorteil Göppingen: Die 86 Kilometer lange Strecke zwischen Bossler, Auendorf und Eschenbach, die mehrfach das Filstal kreuzt, tangiert anders als am Albtrauf zwischen Teck und Hohenneuffen keine Schutzgebiete. Einziger Haken an der Sache: Weil die Route zweimal Autobahn-Umleitungsstrecken quert, sitzt bei der Entscheidung wieder das Regierungspräsidium mit im Boot – mit denselben Personen wie in Kirchheim.