Lenningen. Gabi Kazmaier, Initiatorin des Bewegungszentrums Pfulb und Mutter einer sehbehinderten Tochter, weiß ganz genau wie wichtig ein Umfeld ist, in dem Barrieren dazu da sind, um aus dem Weg geräumt zu werden. „In den USA hat man sich schon in den 90er-Jahren darum bemüht, Behinderten das Sporttreiben möglich zu machen.“ In Deutschland habe diese Entwicklung erst viel später eingesetzt.
„Meine Tochter Linn ist jetzt 14, und an unserer Realschule in Oberlenningen strengen sich die Lehrer wirklich an und sehen zu, wie innerhalb des Bildungsplanes alle am Sportunterricht teilhaben können“, berichtet die Sonderpädagogin, die ihre Tochter nie in Watte gepackt hat. „Es war klar, dass sie mit uns alle Wege geht.“ Genauso klar war, dass Linn und ihr Bruder Lasse die Begeisterung der Mutter für die Leichtathletik erben würden. Dank der Bereitschaft der Trainer war das kein Problem. „Die LG Teck bietet uns eine gute Struktur. Linn kann hier an Regelwettkämpfen teilnehmen“, erzählt Gabi Kazmaier von einer sich anbahnenden Vernetzung zwischen dem Landessportbund und dem Behinderten- und Rehabilitationssportbund in Württemberg. „Linn darf zum Beispiel bei den normalen Wettbewerben mit einer leichteren Kugel teilnehmen. Und wir sind dran, dass sie beim Weitsprung statt dem Brett eine Zone bekommt, innerhalb der sie abspringen kann.“ Die Teilnahme an Regelwettkämpfen wäre für viele Beeinträchtigte Gold wert, denn „für Behinderte gibt es viel weniger Wettkämpfe“, weiß Gabi Kazmaier.
Die Verzahnung der Verbände müsse freilich noch viel tiefer gehen, findet die Lenningerin. „Es liegt viel an Berührungsängsten. Und weil es zum Beispiel für Hör- und Sehbehinderte flächendeckend nur wenige Angebote gibt, wäre es viel besser, wenn sich jeder Verein öffnen würde.“ So habe die LG Teck beispielsweise auch zwei Hörbehinderte aufgenommen, die dort, wo es nötig ist, die Hilfe bekommen, die sie brauchen.
Was passieren kann, wenn das Angebot zur Nachfrage passt, zeigt sich bei Linn Kazmaier. Die 14-Jährige glänzt nicht nur im Leichtathletikstadion, sondern auch auf der Loipe. Als Mitglied des deutschen Nordic-Paraski-Teams stellt die Realschülerin regelmäßig unter Beweis, dass auch Menschen mit Sehbehinderungen sicher auf den Skiern stehen und Höchstleistungen abliefern können. Auch hier ging Familie Kazmaier vor vielen Jahren ganz unbedarft an die Sache heran. „Wir haben einfach ausprobiert, wie wir es hinbekommen können, dass auch Linn das Skifahren lernt.“
Der kleine Sehrest, über den die junge Sportlerin aus Oberlenningen noch verfügt, ist in vielen Situationen sicherlich hilfreich. „Aber auch wenn jemand blind ist, ist Sport möglich. Außerdem haben wir doch alle ein Grundbedürfnis nach Bewegung, Wohlbefinden und Gemeinschaft. All das bietet der Sport, und das sollte doch auch jedem Menschen ermöglicht werden“, wünscht sich Gabi Kazmaier.Sandra Langguth