Fabian Gutbrod mit überraschendem Debüt in der A-Nationalmannschaft
Bundesadler zugeflogen

Frühlingsgefühle trotz dichten Schneetreibens auf der Alb: Das miese Wetter kann Fabian Gutbrod dieser Tage die gute Laune nicht verderben. Der Handballer aus Owen in Diensten des HBW Balingen-Weilstetten hat neue Zukunftspläne und seit Sonntag drei Sternchen in der sportlichen Vita: die ersten Länderspieleinsätze in der A-Nationalmannschaft.

Balingen. Martin Heuberger ist nicht Heiner Brand. Nicht weil der Mann aus Schutterwald bei der WM im Januar in Spanien verpasst hat, was seinem Vorgänger mit dem Titelgewinn 2007 gelungen ist. Dass der ehemalige Nachwuchstrainer Heuberger einen anderen Kurs verfolgt als sein langjähriger Mentor, ist spätestens seit der WM offenkundig. Heubergers Mut, auf junge Talente zu setzen, wurde trotz des enormen Erfolgsdrucks belohnt. Die deutsche Mannschaft ist zwar noch nicht reif für einen Titel, aber sie ist wieder in der Lage, attraktiven Handball zu spielen.

Der Bundestrainer bleibt sich treu, weshalb er am Freitag vor zwei Wochen zum Telefonhörer griff und einen ehemaligen Schützling aus allen Wolken holte. Fabian Gutbrod hat trotz langer Verletzungspause die bis heute erfolgreichste Saison hinter sich. Im halblinken Rückraum der Balinger hat der 24-Jährige gegenüber erfahrenen Mitbewerbern aufgeholt, er hat seine Einsatzzeiten fast verdoppelt und sein Trefferkonto deutlich aufgestockt. Von einer Berufung ins Nationalteam war Gutbrod bis zu diesem Freitag freilich so weit entfernt wie der HBW vom Titel in der Bundesliga.

Doch Heuberger und den zwei Meter großen Blondschopf aus Owen verbindet mehr als nur Liga-Statistiken. Bei der Junioren-WM 2009 in Ägypten feierten sie gemeinsam den Titel. Seitdem ist der Kontakt nie abgerissen. „Er hat mir gesagt, dass er diesen Weg weitergehen und den Spielern von damals ihre Chance geben will“, sagt Gutbrod über den Telefonanruf, der ihn über Nacht zum Nationalspieler machte. Der Ausfall des am Knie verletzten Berliners Sven-Sören Christophersen wurde zum Glücksfall für den 24-Jährigen, denn die Einladungen zum DHB-Lehrgang in Rottenburg an der Fulda waren zu diesem Zeitpunkt längst verschickt. Im Benefizspiel für die Familie der tödlich verunglückten Methe-Zwillinge und am Wochenende bei den beiden Testspielsiegen in Wetzlar und Koblenz gegen die Schweiz stand Fabian Gutbrod jeweils 20 Minuten auf dem Spielfeld, erzielte drei Treffer und bezwang die eigene Nervosität. „Ich war noch nie in meinem Leben so aufgeregt vor einem Handballspiel“, gesteht er. Ähnlich dürfte es Christian Dissinger (Kadetten Schaffhausen) und Torhüter Jens Vortmann (GWD Minden) ergangen sein, die in den ersten beiden Länderspielen nach der WM ebenfalls ihr Debüt im Nationaltrikot gaben. „Man spürt, die Jungen drängen nach. Mich stimmt positiv, dass wir in der Breite immer besser aufgestellt sind“, zeigt sich Heuberger zufrieden mit dem Wochenende.

Die Zeit für kühne Experimente dürfte damit allerdings zunächst vorbei sein. Bei der am 7. April beginnenden EM-Qualifikation gegen Tschechien wird auch ein risikofreudiger Trainer wie Heuberger auf erfahrene Kräfte setzen. Für Fabian Gutbrod gibt es deshalb auch keinen Grund, abzuheben: „Es war schön, dabei gewesen zu sein“, meint er realistisch. „Für mich ist das zusätzliche Motivation. Ich weiß aber auch, dass ich dadurch allein kein besserer Spieler bin.“ Mit etwas Glück, sagt er, liegen noch zehn erfolgreiche Handballjahre vor ihm. Wie schnell es gehen kann, hat er im Herbst erlebt, als er sich im schwäbischen Derby gegen Frisch auf Göppingen schwer an der Schulter verletzte und drei Monate pausieren musste.

Nach seiner Rückkehr im Januar hat er sich entschlossen, den nächsten Schritt zu tun. Der Wechsel zum designierten Aufsteiger Bergischer HC, der am Kader für die kommende Bundesligasaison feilt, ist gleichzeitig Druckmittel, was die eigene Leistung angeht. Der Zweijahresvertrag mit dem aktuell Zweitplatzierten der 2. Liga gilt für beide Spielklassen. „Ich hatte zwei gute Jahre in Balingen“, sagt Fabian Gutbrod. Jetzt ist es Zeit für einen Systemwechsel. Das Spiel mit zwei Kreisläufern im Modell von Rolf Brack kommt dem Rückraum-Shooter aus Owen wenig entgegen. Dessen Stärken liegen im knallharten und präzisen Wurf aus der Kreuzbewegung heraus. Bei den Löwen aus dem Bergischen Land ist er auf der Königsposition im halblinken Rückraum gesetzt. Zum ersten Mal überhaupt, seit er im Trikot von Frisch Auf Göppingen als 20-Jähriger Bundesliga-Luft schnuppern durfte.

Er freut sich auf die neue Herausforderung und er ist selbstbewusster geworden: „Natürlich gehe ich dorthin, um halblinks die Nummer eins zu werden“, sagt er. Die Wohnung, die er in Balingen zusammen mit Kai Häfner bewohnt, ist bereits gekündigt. Im Juni steht der Umzug nach Solingen an. Von dort ist es nicht weit nach Düsseldorf, wo er nebenbei seine Ausbildung zum Heilpraktiker beenden will. Dass der Weg ins Nationalteam nicht zwangsläufig über Kiel oder Hamburg führen muss, hat Martin Heuberger zuletzt unterstrichen. Das sollte für einen wie Gutbrod Ansporn genug sein.