Lokalsport
Cornelia Schaich peilt den Titel an

Segelfliegen Die Nürtingerin startet ab Samstag bei der Weltmeisterschaft der Frauen in England und zählt zum Favoritenkreis. Sie zehrt dabei von einem in 20 Jahren erarbeiteten Erfahrungsschatz. Von Uwe Gottwald

Vor 20 Jahren holte sie sich ihre erste Deutsche Meisterschaft im Segelfliegen in einem Heimspiel auf der Hahnweide, dieses Jahr gelang ihr dieser Erfolg Ende Mai in Landau zum dritten Mal. Als Nächstes nimmt die Nürtingerin Cornelia Schaich aus dem Stadtteil Enzenhardt zum wiederholten Mal an Segelflugweltmeisterschaften der Frauen teil. Vom 13. bis 27. August kämpft sie im englischen Husbands Bosworth etwa 50 Kilometer östlich von Birmingham um den Titel.

Mit 16 Jahren begann die heute 59-Jährige mit dem Segelfliegen beim Verein ihres Vaters, dem Sportfliegerclub Stuttgart. Dieser ist wie weitere Vereine auf der Hahnweide zwischen Nürtingen und Kirchheim angesiedelt. Schnell fand sie Gefallen am Überlandfliegen und an Wettbewerben. Die erste Teilnahme an einer Deutschen Meisterschaft erlebte sie 1988, seit 1993 gehört sie bis auf eine Ausnahme dem Nationalteam an, dessen drei Mitglieder sich jeweils bei den nationalen Meisterschaften qualifizieren müssen.

An Fitness und Konzentrationsfähigkeit hat sie nichts verloren und so zählt sie aufgrund ihres großen Erfahrungsschatzes bei internationalen Meisterschaften immer zum Favoritenkreis. Ihr Wissen um Wetterkunde und Wettkampftaktik ist in den vielen Wettbewerbstagen stetig angewachsen und nicht zuletzt braucht es gute Nerven, wenn es mal mit der Thermikmal nicht so klappt. So ließ sie sich auch nicht beirren, als sie nach drei von sechs Wertungstagen dieses Jahr in Landau noch nicht ganz vorne lag. Mit dem Tagessieg am vierten Tag holte sie sich dann die Führung und gab sie bis zum Schluss nicht mehr ab.

Ihr größter Erfolg war der WM-Titel im Jahr 2003 im tschechischen Jihlava (Iglau), zweimal stand sie noch als Vizeweltmeisterin in den Jahren 2013 und 2017 auf dem Treppchen. So reist sie mit nicht zu geringen Ansprüchen auf die Insel. Am vergangenen Samstag kuppelte sie den Hänger mit ihrem Fluggerät an den Campingbus und machte sich auf den Weg nach Calais, um von dort mit der Fähre überzusetzen. Wie viele ihrer Konkurrentinnen campiert sie am Wettkampfplatz. Viele kennen sich und außerhalb der Wettbewerbsflüge pflegt man ein freundschaftliches Verhältnis.

Wird jedoch das Startfenster freigegeben, ruht die Freundschaft, dann sucht jede für sich den optimalen Weg über die Dreieck- und manchmal Viereckkurse. Gegenseitige Hilfe leisten sich jedoch die Nationalmannschafts-Kolleginnen. Weil der etatmäßige Wetterkundler verhindert ist, muss diesmal Trainer Bernd Schmid diese Aufgabe übernehmen, wobei ihn Cornelia Schaich mit ihrer Erfahrung unterstützen wird. Je nach Wetterlage und vorhersehbarer Thermik, die auch von den landschaftlichen Gegebenheiten abhängt, wird eine Taktik ausgetüftelt.

Mit ihren Kolleginnen Sabrina Vogt und Christine Grote, beide bereits mit WM-Titeln in der Clubklasse gekrönt, praktiziert Schaich dann das Teamfliegen. Dabei kann gemeinsam ein größerer Bereich nach Thermik abgesucht werden, über die man sich dann gegenseitig informiert, möglichst so, dass die Konkurrenz über Funk nicht mithören kann. Wenn es gegen Ende des Wettbewerbs dann knapp werden sollte, fliegt wieder jede auf eigene Faust.

Die Deutschen sind bereits eine Woche vor Beginn der WM vor Ort, um bei Trainingsflügen das Terrain zu erkunden. Außerdem gab es wegen der Pandemiebeschränkungen keine Möglichkeiten zu Trainingslagern. Wenigstens habe sie immer wieder als Fluglehrerin mit dem Nachwuchs in die Lüfte gehen können, sagt sie.

Erwartet werden – wie soll es auf der Insel anders sein– häufigere Regengüsse, die in der Regel aber schnell durchziehen. Deshalb werden die Tagesaufgaben wohl auch eher kürzere Strecken vorgeben, um überhaupt sechs vollständige Wertungstage zusammenzubekommen, damit die Meisterschaft dem Reglement entsprechend als solche gelten kann. Da heißt es, schnelle Entscheidungen zu treffen. Cornelia Schaich rechnet mit Distanzen von rund 120 Kilometern, während sonst oft zwischen 300 und 400 Kilometer Strecke zurückgelegt werden. „Auch Wind, der Thermik verweht, und hohe Luftfeuchtigkeit, die Steigwerte verringert, sind Herausforderungen“, glaubt Schaich.

Ehemann als Rückholer

Los geht es am kommenden Samstag mit der Eröffnungsfeier. Dann wird auch Schaichs Ehemann Thomas vor Ort sein, der als Rückholer fungiert. Sollte Schaich einmal zu einer Außenlandung auf einer Wiese gezwungen sein, weil die Thermik abreißt, setzt er sich ins Auto mit Hänger und holt sie ab. Beide hoffen jedoch, dass dies nicht nötig sein muss, weil es Punkte kostet, die man im Kampf um den Titel schmerzlich vermissen könnte.

Brexit sorgt für Herausforderungen

Die WM in England wird in drei Wettbewerbsklassen ausgetragen: der Clubklasse, der Standardklasse und der 18-Meter-Rennklasse. Die Flugzeuge unterscheiden sich in ihrer Leistungsfähigkeit, was sich letztlich auch im Preis niederschlägt.
Cornelia Schaich startet mit ihrer LS 8 mit 15 Meter Spannweite in der mittleren, der Standardklasse. Diese Flieger sind schon mit Wasserballast ausgestattet, der während der Gleitflüge zwischen den Thermik-Bärten und vor allem beim Zielanflug abgelassen werden kann, was einen verbesserten Gleitwinkel und deshalb zusätzliche Geschwindigkeit bringt.
Der Veranstalter der Weltmeisterschaften stand bei den Vorbereitungen vor kuriosen Herausforderungen. Er musste sich um Sondergenehmigungen kümmern, weil für die meisten Pilotinnen die europäischen Flugscheine und Flugtauglichkeitsprüfungen nach dem Brexit nicht mehr galten. ugo