Drei Sekunden vor der Schlusssirene hatte auch Richie Williams sein Erfolgserlebnis. Die beiden sicher verwandelten Freiwürfe zum 78:71-Endstand gegen Trier waren allerdings kaum das, was man gemeinhin als Trostpflaster bezeichnet. Kirchheims Spielmacher, der nicht zum ersten Mal in dieser Saison nachdenklich und bisweilen ratlos wirkte, war zuvor bei acht Wurfversuchen aus dem Feld erfolglos geblieben. Die Leistungskurve des Kirchheimer Kapitäns ähnelt im Moment der der Mannschaft, wenngleich der Zyklus ein anderer ist. Während das Kirchheimer Kollektiv am Sonntag seinen achten Heimsieg feierte, musste Williams seinen persönlichen Tiefpunkt abhaken. Dass er dabei dennoch fast 32 Minuten auf dem Spielfeld stand, zeigt: Auch ein Williams weit unter Normalform ist im Kirchheimer Gefüge alternativlos. Zwei Punkte, vier Assists und sechs Ballverluste des 35-jährigen Routiniers, damit lassen sich eigentlich schwer Spiele gewinnen, rechnet man die schwache Kirchheimer Reboundbilanz mit 28:44 zugunsten des Gegners hinzu. Vor allem unterm gegnerischen Korb waren die Gastgeber den einen Gedanken oder Schritt zu langsam.
Bei einer Wurfquote wie zuletzt hätte sich das wohl auch diesmal bitter gerächt. Dass am Ende zwei wichtige Punkte für die Gastgeber heraussprangen, lag neben einer deutlich verbesserten Defensive vor allem an einem: Besnik Bekteshi machte im Vergleich zu den Vorwochen den Unterschied aus und schlüpfte endlich wieder in die Rolle, in der man ihn kennt und die ihm am besten liegt: der des Vollstreckers an der Dreierlinie. Vier von fünf Versuchen,
dazu eine 50-prozentige Quote aus der Halbdistanz. Seine 20 Punkte kamen diesmal als Bonus obendrauf. Ein Aufwärtstrend, der sich beim Kirchheimer bereits die Woche zuvor gegen Münster abgezeichnet hatte. Was ihm da noch versagt blieb, war ausreichend Spielzeit, weil Paul Giese als Starter auf der Position eine starke Leistung bot. Die lange vermisste Gefahr von außen durch einen wie Bekteshi war diesmal aber nicht nur in der Endabrechnung entscheidend – zumal auch Niedermanner und Flowers in wichtigen Momenten trafen – sie bescherte anderen generell mehr Freiräume. In der ersten Spielhälfte nutzte die vor allem Ty Nash, den nach der Halbzeitpause allerdings Foulprobleme und eine ungewohnt hohe Fehlerquote begleiteten. Nash und Williams, beide deutlich über Dreißig und die Dauerläufer im Kirchheimer Team, wirken im Moment schlicht überspielt.
Bis zum Mittwoch in einer Woche in Tübingen bleibt nun Zeit, um Kraft zu tanken und den Kopf nach turbulenten Wochen freizubekommen. Bis Donnerstag ist trainingsfrei. Während Coach Igor Perovic die drei Tage für eine Stippvisite in der Heimat Belgrad nutzt, versucht Teammanager Chris Schmidt die Dinge ins rechte Licht zu setzen. Dabei zeigt er wenig Verständnis für Kritik, wie sie nach den beiden jüngsten Niederlagen in Bremerhaven und zuhause gegen Münster auf die Mannschaft einprasselte. „Wir haben in diesem Jahr 15 Teams, die alle die Qualität für die Play-offs haben,“ sagt Schmidt. „Die Erwartungshaltung in Kirchheim kann nicht sein, dass wir hier einfach durch die Liga spazieren.“
Was immer deutlicher wird: Ein Offensiv-Feuerwerk wird auch in den verbleibenden elf Spielen von der Mannschaft kaum zu erwarten sein. Dafür hat sich das Bild nach 23 Spieltagen und 76 Punkten im Schnitt zu sehr verfestigt. Der Erfolg steht und fällt mit der Leistung in der Defensive. Dort zeigten sich in den vergangenen zwei Wochen vor allem deshalb offene Flanken, weil es mit Neuzugang Nick Muszynski einen Spielertyp zu integrieren galt, der im System Perovic so eigentlich nicht vorgesehen war. Das Gute daran: Muszynski spielt einen soliden Part unterm Korb und fügt sich immer besser in die Mannschaft ein. Sein deutliches Defizit an Tempo und Athletik macht der 24-jährige Amerikaner in der Offensive bisher mit erstaunlicher Cleverness wett. Defensiv dagegen muss sich die gesamte Mannschaft auf neue Abläufe einstellen. Eine Aufgabe, die angesichts des straffen Spielplans und eingeschränkter Trainingsmöglichkeiten zur Herausforderung wurde. Daher kommt die kurze Länderspielpause am kommenden Wochenende gerade recht. „Wir haben einige in der Mannschaft, denen man anmerkt, dass sie müde sind,“ sagt Schmidt.