Kirchheim. Gemeinhein wird behauptet, die Chinesen würden für Krise und Gelegenheit das gleiche Schriftzeichen verwenden. Unabhängig von der Richtigkeit dieser Aussage, trifft sie die Situation bei den VfL-Fußballern nach der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Mittwochabend genau. Nach den Querelen der vergangenen Wochen und Monate um das zurückgezogene Oberligateam, die sich anschließenden juristischen Auseinandersetzungen und die sechswöchige Zeit ohne gewählten Abteilungsleiter, bringt ein schnauzbärtiger Mann im Karohemd den leidgeprüften Blauen nun die Hoffnung zurück.
Detlef Pflüger hat seiner Ankündigung bei der Versammlung im September, ein Konzept zu erarbeiten, Taten folgen lassen. In mehreren Sitzungen haben er und 13 Mitstreiter (siehe Infowinkel) einen Neubeginn skizziert, für den der 55-jährige Kirchheimer enthusiastisch warb. Kernaussage dabei: „Wir sind keine Anhäufung von Gruppen. Wir sind eine Abteilung, die wie ein Team auf dem Platz zusammen kämpft.“
Diesem Team gehören auch Personen an, die in der Abteilung bislang in der zweiten oder dritten Reihe standen. So wie Fabian Preuss. Der 42-Jährige hat zwei Kinder, die beim VfL in der Jugend kicken. Preuss selbst coacht die Kircheimer U13 und ist von Pflügers Ideen derart begeistert, dass er sich künftig im Sponsoring der Jugend engagieren will und darüberhinaus dem neu geschaffenen kaufmännischen Bereich als Leiter vorstehen soll. „Ich glaube an den VfL“, sagte Preuss unter großem Applaus des Auditoriums, das sich im Lauf des Abends von der durch Pflüger verbreiteten Aufbruchstimmung anstecken ließ. „Das hört sich alles sehr gut an, der VfL hat wieder eine Zukunft“, freute sich mit Otto Heinisch einer der langjährigsten und auch kritischsten Begleiter des Kirchheimer Fußballs.
Selbiger unterteilt sich nach Pflügers Vorstellungen künftig in einen sportlichen und einen kaufmännischen Bereich. Was auf den ersten Blick wenig innovativ erscheint, wird bei Betrachtung der einzelnen Posten beziehungsweise deren Inhaber interessant. Neben erfahrenen Kräften wie Kurt Antel (Schriftführer), Walter Rau (Öffentlichkeitsarbeit) oder Alexander Capano (Sponsoring), stehen nun der Öffentlichkeit gänzlich Unbekannte wie eben Fabian Preuss, Udo Borbeck (Eventmanager) oder Frank Sedlmayer (Leiter sportlicher Bereich) in der Pflicht – nur drei Personen, die künftig die Ärmel hochkrempeln wollen, um „den Karren aus dem Dreck zu ziehen“, wie es Detlef Pflüger formulierte.
Wie tief der Karren (noch) im Dreck steck, das konnte die Gesamtvorsitzend Doris Imrich auf Nachfrage nicht beantworten. Nur so viel: „Mit viel Glück kommen wir am Ende des Jahres mit einer schwarzen Null raus.“ Im gleichen Atemzug warnte die seit 1992 dem VfL vorstehende Imrich die Fußballer mit den Worten: „Ihr müsst euch im Klaren sein, dass ihr Geld zusammenbetteln müsst und ums Überleben kämpft.“
Zwar habe Ex-Abteilungsleiter Jörg Mosolf laut Imrich seine finanziellen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Oberligamannschaft erfüllt und darüberhinaus die Arbeitsgerichtskosten im Fall Rainer Kraft und sechs Spielern übernommen. Außerdem sei der Etat der getrennt bilanzierten Jugend-Fußballschule bis Juni 2012 gesichert.
Doch könne wegen eines fehlenden Hauptsponsors aktuell noch keine Prognose für die Sicherung des Spielbetriebs der Bezirksligamannschaft gegeben werden, von der von vielen erhofften Verbandsligatruppe zur Saison 2012/13 ganz abgesehen. „Es gibt lose Kontakte zu Sponsoren, aber noch nichts Konkretes“, so Detlef Pflüger, dessen ausdrückliches Ziel es jedoch ist, kommende Saison mit zwei aktiven Mannschaften anzutreten. „Wir haben die verdammte Chance, in der Verbandsliga zu spielen“, betonte er, „und ich weiß, dass wir alles tun werden, um das zu schaffen.“
Doris Imrich machte in diesem Zusammenhang noch einmal deutlich, dass dieses Ziel nur ohne bezahlte Sportler zu erreichen sei. Detlef Pflüger betonte, dass bei der künftigen Finanzierung die Spieler nach der Kostendeckung des Spiel- und Trainingsbetriebs an dritter Stelle stehen werden.